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Institut für Musikforschung

Das Carillon der Universität Würzburg

Im 13. Jahrhundert kam der Gedanke auf, Kirchenglocken als Melodieinstrumente einzusetzen. Hierfür wurden die Klöppel mehrerer Glocken mit Seilen verbunden, später mit Holztasten – und so begann die Geschichte des Carillons. Die Blütezeit des Instruments nahm im 17. Jahrhundert ihren Anfang, als Glocken erstmals rein gestimmt werden konnten und so ein künstlerisches Spiel möglich wurde. 1922 gründete Jef Denyn (1862–1941) im belgischen Mechelen die erste Carillonschule der Welt. Ihr folgten weitere Schulen in Frankreich, Belgien, Dänemark und in den Niederlanden. Von hier ging die moderne Pflege des Carillon-Spiels aus.

Ein Carillon ist heute ein vollchromatisches Instrument, verfügt also über den gesamten Tonvorrat. Der Carilloneur spielt auf einer speziellen Tastatur, dem Stokkenklavier. Die Glocken werden auf rein mechanischem Weg angeschlagen.

Das Repertoire für das Instrument ist umfangreich. Erste originale Carillon-Kompositionen erschienen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Seit den 1920er Jahren ist eine Fülle von originalen Werken entstanden, angestoßen durch Jef Denyn und seine Schüler. Darüber hinaus liegen viele Transkriptionen von Kompositionen in anderen besetzungen etwa von Bach, Händel und Mozart vor. Sehr beliebt sind darüber hinaus Bearbeitungen von Chorälen und Volksliedern, sowie Improvisationen.

Das Carillon der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg wurde im Jahre 2004 von der Königlichen Glockengießerei Petit en Fritsen in Aarle-Rixtel/Niederlande hergestellt und im Februar 2005 in der ehemaligen Glockenstube des Turms der Neubaukirche installiert (Alte Universität, Domerschulstraße 16). Seine 51 Glocken mit der Tonfolge g1-a1-h1-c2, dann chromatisch bis h5, entsprechen den Tasten b0-c1-d1 chromatisch bis d5 des Stokkenklaviers.


Hörbeispiele (nah/fern): [1] Aus dem Turm der Neubaukirche vom 3. Juni 2009 (Jürgen Buchner; Aufnahme: Oliver Wiener); [2] Carillon aus der Ferne (Domerschulstr. 13, Innenhof). Spieler bei beiden Beispielen: Jürgen Buchner.


Die meisten Instrumente stehen in den Niederlanden, in Flandern und in den USA. In Deutschland sind es nunmehr 46, davon sechs in Bayern (Würzburg, Aschaffenburg, Illertissen, München, Weilbach und Passau). Die Universität Würzburg ist die einzige deutsche Universität, welche über ein Carillon verfügt.

Gespielt wird das Carillon der Universität Würzburg von Universitätscarilloneur Dr. Dr. Jürgen Buchner. Er studierte Rechtswissenschaft in Würzburg und daran anschließend katholisches Kirchenrecht in Straßburg und promovierte an der Päpstlichen Hochschule Antonianum in Rom zum Doktor des Kanonischen Rechts. Er studierte des weiteren Musikwissenschaft und Musikpädagogik in Milton Keynes/Großbritannien und Würzburg und erwarb den Dr. phil. im Fach Musikwissenschaft. Seine Ausbildung als Organist absolvierte er an der Brigham Young Universität in Provo/Utah/USA. Sein Diplom als Carilloneur erwarb er an der Königlichen Carillonschule "Jef Denyn" in Mechelen (Literaturspiel und Campanologie bei Koen Cosaert, Arrangement und Komposition bei Eddy Marien, Improvisation bei Tom van Peer).

Erstes öffentliches Konzert am Carillon der Universität Würzburg: 6. Juni 2005 (Bericht).
"Süßer Klang trifft hartes Metall": Pressestelle des Bistums Würzburg, 19. Dezember 2015 (Bericht).

Interessante Links:

Glockenmuseum Apolda

Glockenspiel Geisa