Intern
Institut für Musikforschung

Digitaler Rundgang: Station 2

Körperbetonte Tanzformen

Eine Besonderheit vieler Weltmusik-Produktionen besteht darin, dass es sich nicht um passive Hörmusiken, sondern um Bewegungsmusiken handelt. Tänze, Prozessionen bis hin zu artistischen Vorführungen gehören untrennbar zu den gemeinschaftlichen Aufführungen. Diese visuelle und oft farbenreiche Komponente eignet sich gut zur Vermarktung der Musik. Die Betonung auf Bewegungskomponenten verleitet aber auch zur Überbetonung der körperlichen Eigenschaften der Beteiligten.

Fordern die gemeinschaftlichen Tanzformen das westliche Publikum zum Mitmachen auf, oder repräsentieren die Gruppen nur ihre Tanzstile? Welche Stimmung sollen die Bilder mit den einzelnen Tänzer*innen vermitteln? Stellen die verschiedenen Arm- und Handgesten freundschaftlichen Kontakt mit dem Publikum her? Werden hier Männertänze mit Aggression und Gewalt verbunden? Warum spielt Nacktheit in vielen Aufnahmen eine besondere Rolle? Warum werden ausgerechnet afrikanische Mädchen halbnackt dargestellt?

Die Vermarktung von Weltmusik über verschiedene Tanzformen birgt die Gefahr, stereotype Geschlechterbilder von nichtwestlichen Kulturen zu reproduzieren und zu einer Sexualisierung der abgebildeten Personen beizutragen.

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Fremde Klangfarben

Eine andere Möglichkeit der Darstellung von Weltmusik besteht im Ersetzen der fotographischen Abbildungen durch Erzeugnisse der Bildenden Kunst, einer verwandten künstlerischen Ausdrucksform. Reichtum und Ebenbürtigkeit nicht-westlicher Kulturen lassen sich visuell leicht durch besonders kunstvolle oder symbolisch aufgeladene Bilder veranschaulichen, die dem westlichen Publikum zudem in einigen Fällen schon vertraut sind. Durch die Abstraktion vom konkreten musikalischen Kontext verlieren die Cover allerdings auch einen Teil ihrer Vermittlungsfunktion.

Lassen die Bilder noch erkennen, in welcher Zeit die Aufnahmen entstanden sind oder sollen sie bewusst zeitlos sein? Erfahren die Hörer*innen durch die Bilder etwas über die Kulturen, aus denen die Musik stammt, oder sollen sie ihren eigenen Fantasien folgen? Handelt es sich bei den Zeichnungen überhaupt noch um Darstellungen, die konkret Bezug auf den Aufführungskontext nehmen? Malen die Pygmäen zu ihrer Musik solche organischen Pflanzenbilder? Was hat die schwarz-weiße Phantasiewelt mit indischen Raga zu tun? Handelt es sich bei diesen Covern nicht um ein nachträgliches Erfinden von Bildwelten, die nur von den Klängen inspiriert wurden?

Die Vermarktung von Weltmusik über Formen von Bildender Kunst birgt die Gefahr, auf eine Symbolebene auszuweichen, die es dem Publikum überlässt, einen beliebigen semantischen Bezug zwischen Bild und Klang zu knüpfen.

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