Intern
Institut für Musikforschung

Teilsammlung Fritz Degel: Einleitung

Die schönen Saiten der Welt

Musik, Kunst, Literatur und Religion sind die wesentlichen Säulen der Kulturen aller Völker, sei es der jetzt lebenden als auch der verflossenen. Der Musik kommt dabei eine ganz besondere Rolle zu, scheint sie doch tief in der menschlichen Seele verankert zu sein. Stimmungen und Gefühle, tiefste Trauer und überschwängliche Freude können in der Musik am besten ihren Ausdruck finden. Ihr werden auch magische und heilende Kräfte in vielen Ethnien zugeschrieben, denkt man z. B. an sibirische Schamanen, die sich mit ihren Trommeln in Trance versetzen oder an afrikanische Riten, bei denen Medizinmänner oder Priester mit Hilfe von ekstatischer Musik eine Beziehung zu transzendenten Welten herstellen wollen. Auch in unserer modernen Welt gewinnt die Musiktherapie immer mehr an Bedeutung, wenn die klassischen Mittel der Medizin und der Psychologie nicht mehr weiterhelfen.

Weil Musik ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens ist, haben sich Menschen aller Kulturstufen und Zeiten eine fast unübersehbare Fülle an Instrumenten geschaffen, die als Mittler zwischen dem kreativen Geist und der hörenden Umwelt dienen, andererseits aber auch selbst Ausdruck der Kultur eines Volkes sind. Die kulturelle Identität eines Volkes basiert nicht zuletzt auf seiner Musik und damit auch auf seinen Musikinstrumenten. So dienen sie nicht nur als „Instrument“, also funktional als Überbringer einer musikalischen Botschaft, sondern stellen an sich in ihrer oft perfekten handwerklichen Bauweise und künstlerischen Gestaltung ein bedeutendes Kulturgut dar.

Zwischen dem Spieler und seinem Instrument herrscht in vielen Kulturkreisen eine tiefe Beziehung. Zuweilen werden die Instrumente beim Tode mit ins Grab gegeben als Zeichen der Wertschätzung und Verbundenheit wie z.B bei den Santal im Nordosten Indiens. Anthropomorphe Darstellungen und Verzierungen an Instrumenten sind in Afrika weit verbreitet und auch bei uns zieht man den Vergleich mit dem Menschen, wenn wir vom Kopf, Hals und Körper eines Instrumentes reden.

Physikalisch gesehen erzeugt man mit einem Instrument Töne, indem man einen Körper zum Schwingen bringt, der in der umgebenden Luft Schallwellen erzeugt. Einfachste Form solcher Schallerzeugung ist z.B. das Zusammenschlagen der Hände oder das Schlagen auf Körperteile (z.B. Schuhplattler). Zwei Holzstäbe aufeinander geschlagen ergeben schon ein Rhythmusinstrument, z.B in Südamerika (Claves). Gebrauchsgegenstände des Alltags lassen sich leicht zu Musikinstrumenten umfunktionieren, wie z.B. zwei Löffel, die in mancherlei Art von Volksmusik Verwendung finden, beispielsweise in Russland. Es ist anzunehmen, dass auch Jagdbögen in früheren Kulturen eine doppelte Funktion hatten. So weisen Funde darauf hin, dass einfache Musikinstrumente viele tausend Jahre alt sind. Die Knochenflöte  aus der Geißenklösterlehöhle auf der Schwäbischen Alb z.B. wurde aus mehr als 30 Einzelteilen wieder zusammengesetzt und ist zwischen 30 000 und 37 000 Jahre alt.

In allen antiken Hochkulturen finden sich Darstellungen von Musikinstrumenten, so bei den Sumerern,  den semitischen Völkern und den Assyrern ab ca 2700 v. Chr. Zahlreiche Darstellungen z. B. in der Nekropolis von Theben belegen auch die hohe Bedeutung der Musik bei den Ägyptern. Ebenso finden sich bei Griechen, den Etruskern und Römern viele Darstellungen von Blas- und Zupfinstrumenten, wie z.B. Aulos, Lyra und Kithara.

Nach den Wirren der Völkerwanderungszeit war es vor allem im Mittelalter der Kontakt mit der arabischen Kultur im Verlauf der Kreuzzüge und durch die Eroberung Spaniens durch die Mauren, der die Kenntnis vieler anderer Musikinstrumente mit sich brachte. Diese waren wiederum teilweise aus dem Innern Asiens sowie dem alten Persien zu den Arabern gekommen, wie z.B. der Oud oder das Qanun. Diese wurden übernommen und auch angepasst. Hier wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, die über Renaissance, Barockzeit und Klassik bis in unsere Zeit hinein anhält. Viele Instrumente, die in Ihrer Zeit sehr bedeutsam und groß in Mode waren, sind im Laufe der Zeit im Zuge der allgemeinen Entwicklung der Musik in Europa aus dem praktischen Gebrauch verschwunden. Wer sich nicht explizit damit befasst, wird mit Namen wie Vihuela, Pandora, Trumscheit, Drehleier oder Chitarrone wenig anzufangen wissen. Diese Instrumente werde ich z.B. im Kapitel Historische Instrumente aus meiner Sammlung vorstellen. Andere neue Instrumente sind dafür entstanden und entstehen auch noch heute, vor allem im elektronischen Bereich, wie z.B. der Synthesizer.

Sachs und Hornbostel haben 1914 versucht, Ordnung in die Vielfalt der Instrumente zu bringen, indem sie sie in vier große Gruppen einteilten:

  • Idiophone
  • Membranophone
  • Aerophone
  • Chordophone
  • [Elektrophone]

Unter Idiophonen versteht man die Selbstklinger z.B. ein Metallophon. Bei Membranophonen wird eine gespannte Membran zum Schwingen gebracht, z.B. das Fell einer Trommel. Bei Aerophonen wird die Luft zum Vibrieren gebracht; so schwingt z.B. die Luftsäule in einer Orgelpfeife. Chordophone erzeugen Töne, indem man gestraffte Saiten zum Schwingen anregt. Die Gruppe der Elektrophone wurde nachträglich aufgenommen. Sie erzeugen elektrische Signale, die über Lautsprecher in Schallwellen verwandelt werden.

Meine Sammlung besteht, wie schon erwähnt, zum ganz überwiegenden Teil aus Saiteninstrumenten. Bei der Beschreibung der einzelnen Instrumente bediene ich mich dabei der durch Jeremy Montagu erweiterten Klassifikation von Hornbostel und Sachs, wie sie auch von der CIMCIM (Comité International des Musées et Collections d` Instruments de Musique )verwendet wird.