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Institut für Musikforschung

Musique Folklorique Du Monde: Syrie – Nay

Bei der Nay handelt es sich um eine aus Bambus oder Schilfrohr gefertigte Längsflöte, die beim Spielen schräg an den Mund gehalten wird. Um in verschiedenen Tonlagen und Modi spielen zu können, besitzen Musiker meist mehrere unterschiedlich große Instrumente, die Töne werden durch sechs Grifflöcher und Veränderung der Lippen- und Kopfhaltung erzeugt.

Eingesetzt wird die Nay in weltlicher Kunstmusik und religiösen Zeremonien. Vor allem in den türkischen Mawlawiya-Orden und deren Ablegern in Syrien und Ägypten hat die Nay eine besondere religiöse Bedeutung. Am eindringlichsten wurde diese Bedeutung von dem berühmten persischen Mystiker und Dichter Jallal al-Din Rumi (1207–1273) formuliert. Sein Hauptwerk, das aus sechs Büchern und insgesamt über 25.000 Doppelversen bestehende Lehrgedicht Masnawi, beginnt mit dem „Lied der Rohrflöte“. Darin sehnt sich die Nay nach dem Röhricht, aus dem sie geschnitten wurde und beklagt eine Trennung, die paradigmatisch für die Entfernung des Menschen von seinem göttlichen Ursprung steht und gleichsam an den Schmerz zwei voneinander getrennter Liebender erinnert:

Hör auf der Flöte Rohr – wie es erzählt, und wie es klagt
Vom Trennungsschmerz gequält:
"Seit man mich aus der Heimat Röhricht schnitt,
Weint alle Welt bei meinen Tönen mit.
Ich suche ein Herz, vom Trennungsleid zerschlagen,
Um von der Trennung Leiden ihm zu sagen.
Sehnt doch nach dem in Einheit Lebensglück
Wer fern vom Ursprung, immer sich zurück."

Übersetzung von Annemarie Schimmel (1922–2003)

„Musique folklorique du monde“ war eine umfangreiche Weltmusik-Dokumentations-Reihe des französischen Labels Musidisc in den späten 1970er Jahren.