Intern
Institut für Musikforschung

Von Lattakia in die Zellerau… Rap mit Niro

Mohammad Shekh Yousef, auch bekannt als Niro aka Abu Jmal, ist in Lattakia aufgewachsen, einer Stadt an der syrischen Mittelmeerküste. Ungefähr zehn Kilometer nördlich seiner Heimatstadt liegt Ugarit, ein seit dem 2. Jt. v. Chr. bezeugtes Handels- und Kulturzentrum der Bronzezeit, in dem 1950 bei Ausgrabungen eine Tontafel entdeckt wurde, die bis heute als die älteste Notation einer Melodie in der Geschichte gilt. Dass Musik auch im Leben von Niro eine wichtige Rolle spielt, bezeugt seine Biografie: Seit seiner Jugend schreibt er Liedtexte und macht Hip-Hop. Dass er als Rapper „Niro“ heißt, verdankt er indirekt Eminem: Als er im Jahr 2009 bei einem Auftritt in Lattakia das Publikum mit seiner Interpretation von Eminems berühmten Track „Lose Yourself “ beeindruckte, verpasste es ihm den Spitznamen „Nero“ –
der Name eines bekannten CD-Brenn-Programms.

Viele syrische Exil-Rapper verankern ihre musikalische Praxis in lokalen und regionalen Musikkulturen. Das sieht man bereits an der Wahl ihrer Künstlernamen: In Beirut huldigt der Damaszener Rapper Bou Kalthoum mit seinem Namen der legendären ägyptischen Sängerin Um Kalthoum und dem vorislamischen Dichter Ibn Amr ibn Kulthum. Der aus Homs stammende und mittlerweile in Berlin lebende Rapper Al-Darwish wählte seinen Namen in Erinnerung an Sayyed Darwish, einen der Pioniere ägyptischer Popularmusik.

Auch Niro sieht Parallelen zwischen Hip-Hop und den Musikkulturen seines Heimatlandes. „Man kann Rap Battles und die Kombination von rhythmischen Beats und Poesie mit unserer Ataba-Kultur vergleichen“, erklärt er, „da stehen sich zwei Sänger gegenüber und fangen an zu dichten.“ Bei der Ataba handelt es sich um eine improvisierte Gedichtform, die bei Hochzeiten, anderen Festlichkeiten oder auch bei der Arbeit gesungen wird. Hören Sie hier die Ataba „Mein Herz auf Dein Herz“, aufgenommen zu Beginn des letzten Jahrhunderts und gesungen von Aliya al-Atrasch, der Mutter des berühmten syrischen Sängers Farid al-Atrasch (1915–1974).

Das Schreiben von arabischen, englischen und deutschen Liedtexten hat Niro bei seiner Ankunft aus Syrien in Deutschland begleitet. In seinem
2019 produzierten Track „Wer bin ich?“ mischen sich in den Straßen von Nürnberg gefilmte Szenen mit Erinnerungen aus seinem Heimatland: „Wer sind wir? Was ist unsere Zukunft?“ und „Lass mich leben, lass mich Ich sein“, rappt er dort auf Arabisch, eingerahmt von Aufnahmen syrischer Kinder, die von ihren Berufswünschen berichten: Friseurin, Arzt, Ingenieur, Fußballspieler…

Flucht, Heimweh, eine neue, gemeinsame Zukunft – das sind Themen, die Niro beschäftigen. Mittlerweile studiert er im fünften Semester Lehramt Mittelschule an der Universität Würzburg. In der Zellerau, wo er seit kurzem lebt und als Lehrkraft tätig ist, verwendet er Hip-Hop auch als Unterrichtsmethode, um Jugendlichen das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache zu erleichtern. Daneben arbeitet er an seinem neuen Track „Toyour“, was so viel wie „Vögel“ auf Arabisch heißt.