Gemshornflöten – Lo 29 bis 31
Die Gemshornflöte wird 1511 in Sebastian Virdungs "Musica getutscht" abgebildet. Sie besitzt dort drei Frontgrifflöcher und ein Daumenloch (bzw. seitliches Loch?). Bei Praetorius (1619) war das Instrument nicht mehr bekannt (nur noch das nach ihm benannte Orgelregister). Historische Spezimina gibt es nicht mehr. Das Gemshorn, wie es heute gebaut wird, ist also zum einen ein Wunschprodukt der Alten-Musik-Bewegung. Über orginale Stimmtonhöhen wie über die Konstruktionsweise können so gut wie keine historisch verlässlichen Aussagen getroffen werden (vgl. Parkinson 1981). Als Kernspaltflöte einfach zu spielen, ermöglicht es eine verstärkte Konzentration auf die Intonation. Es hat einen Umfang von einer kleinen Dezime und erreicht darin alle chromatischen Zwischenstufen. Das Instrument wird sowohl im Ensemble (z.B. als Quartett) wie auch solistisch eingesetzt und zeichnet sich durch einen zarten, glatten und stabilen Ton aus. Vgl. das untenstehende Spektrogramm und Ausschnitts-Frequenzanalyse des Tons g1 auf Lo 30 mit einem deutlichen erkennbaren hohen Anteil des zweiten und vierten Partialtons. Zum Teil hat das Instrument auch in die "bairische Stubenmusi" Einzug gefunden.
Lo 29–31: Gemshornterzett auf g, d1, g1. Sieben Grifflöcher an der Front, ein Daumenloch an der Rückseite. Das Loch für den kleinen Finger dient nur als Stimmloch bzw. um einen Halbton unter dem Grundton zu erreichen. Gemshörner sind Kernspaltflöten, doch im Gegensatz zu Blockflöten durch ihren Abschluss gedackte Pfeifen.
Hörner vom afrikanischen Hausrind, eingeölt. Gipsartige Abschlussfüllung. Herstellersignatur in den Messingring des Sopraninstruments geprägt: "HFK", Nummer: "12118". Auch ins Horn geschlagen an der Stellen, an der der Messingring sitzt. Entsprechend auch am Altinstrument: "HFK", Nummer: "10118". Am Kontraalt (Lo 30, d1) fehlt ein entsprechender Vermerk und auch der Messingring. Dieses Instrument hat eine größere (und von der Stimmung her nicht sonderlich exakte) Daumenlochbohrung als Alt und Sopran. Die Füllung des offenen Hornendes hat eine andere Zusammensetzung (hineingemischte braune Substanz). Der Endanschnitt ist angedeutet schnabelartig, der der beiden anderen Instrumente glatt. Die Daumenlöcher liegen exakt hinter dem 7. Griffloch.
Lo 29 (g): max. Länge 55,1 cm; Abstand Labiumskante bis 7. Griffloch 10,5 cm, bis 1. Griffloch ca. 29,5 cm
Lo 30 (d1): max. Länge 38,8 cm; Abstand Labiumskante bis 7. Griffloch 6 cm, bis 1. Griffloch ca. 21 cm
Lo 31 (g1): max. Länge 31,3 cm; Abstand Labiumskante bis 7. Griffloch 4,9 cm, bis 1. Griffloch ca. 15 cm
De 524: lediglich 5 Grifflöcher vorne (Grundton: h1; 485 Hz; Durskala). Länge 20 cm; max. Breite 4,5 cm; Holzschnabel; Abstand Labiumskante bis 5. Griffloch 3,7 cm; bis 1. Griffloch 12,3 cm
Herkunft: Stiftung Thomas Loelgen (Lo); Stiftung Fritz Degel (De).
Literatur: Andrew Parkinson: Guesswork and the Gemshorn, in: Early Music 9 (1981), S. 43–46.
{2014–08–26} ow