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Institut für Musikforschung

Alt-/Tenorgambe (Peter Harlan, 1932) – De 372

Peter Harlan-Werkstätten (Markneukirchen) 1932.

Zettel: "Kassel 1932 | Bärenreiter-Instrument | gebaut in den Peter Harlan-Werkstätten"
Hersteller-Brandstempel in Gitarrenform über die Verbindung von Hals zu Korpus/Boden auf der Rückseite

Peter Harlan (1898–1966), Bruder des Nazi-Filmregisseurs Veit Harlan, war bereits im Alter von zehn beim Wandervogel und fand dort seine Begeisterung am Instrumentenbau. Nach der Entlassung aus dem Kriegsdienst 1918 ging er in die Lehre und machte sich 1921 in Markneukirchen selbständig. Aus Michael Praetorius' Syntagma musicum II gewann er Modelle für den Bau eigener Instrumente, die der Wiederbelebung alter Musik dienen sollten. Harlan unterhielt in den 1920er und 30er Jahren drei Werkstätten, in denen ausgebildete Handwerker ein Instrumentarium des zu revitalisierenden Spätmittelalters und der Renaissance bauten: Blockflöten, Lauten, Gamben, Violen, Spinette, Clavichorde und Radleiern. Für die Gambe versuchte Harlan eine fließend (nicht eingebuchtet) taillierte Form norditalienischer Gamben des 17. Jahrhunderts wieder zu etablieren, wovon dieses Instrument zeugt. Es wurde 1932 für den Instrumentenvertrieb im "Alte-Musik"-Sektor des Bärenreiter-Verlags gebaut.

In den 1920er Jahren ging Harlan mit Edgar Lucas und Ernst Duis, dann (1930 bis 1933) mit Cora Auerbach und Hanning Schröder auf Werbe-Konzertreisen ("Harlan-Trio") für seine Instrumente. Nach dem zweiten Weltkrieg pachtete Harlan die Burg Sternberg (Kreis Lippe, NRW), wo er rasch eine neue Werkstatt aufbauen konnte. Als neues Instrument versuchte Harlan die aus seiner Gambenform abgeleitete Fidel populär zu machen.

Eine Formübersicht zur historischen Entwicklung der Gamben konnte Harlan bereits aus Rühlmann (1882: Atlas) gewinnen. Zur historischen Kenntnis der Gambe zum Zeitpunkt der Herstellung dieses Harlan-Instruments vgl. Ziegert (1932), der über die Wiederbelebung des Instruments (S.111) sinniert hat – zunächst aus der Perspektive des musikpraktisch dominierenden Streichquartetts, dann mit Blick auf  dilettierende Musikanten: „Immerhin ist die Frage noch offen: wird die Gambe die breitere Öffentlichkeit wieder erobern, oder wird sie ein Leckerbissen nur für den Kenner der historischen Musik bleiben, der fähig ist, den leisen vibrierenden, spinnenden süßen Gesangston der alten Kniegeige zu hören und den Geschmack der Ahnen nachempfinden zu können?“

LBT 100 x 27 x 12 cm
Saitenhalter mit Draht eingehängt
6 Saiten (defekte Saiten November 2021 ersetzt durch Tenorgambensaitensatz von "Savarez" für eine Mensur von 48 cm; [Darm a-d'-g'; Darm mit Kupferumspinnung G-c-F])
Schwingende Saitenlänge: 58 cm (das Maß liegt zwischen den heute üblichen schwingenden Saitenlängen  von Alt- (48 cm) und Tenorgambe (68 cm)
Fehlender Steg November 2021 ergänzt aus zurechtgeschnittenem Standardstegrohling für Altgambe
Schäden: kleiner Riss in der rechten Zargen-Taille ca. 1 cm über dem Boden; von der Zarge gelöster Boden (November 2021 mit Fischleim fixiert); Kratzspuren auf der Decke, auf den Zargen und auf dem Boden.

372 b: Bogen 2021 ergänzt durch Gewa Fiddle/Viola da Gamba Bow (Stange: Massaranduba; Frosch: Ebenholz, Gesamtlänge 70,5 cm; Haarlänge: 62,5 cm; Gewicht: 54 g).

Herkunft: Stiftung Fritz Degel (Blieskastel), Juli 2021

Literatur:
Julius Rühlmann, Die Geschichte der Bogeninstrumente, insbesondere derjenigen des heutigen Streichquartettes, von den frühesten Anfängen an bis auf die heutige Zeit, Bd. 1: Eine Monographie, Bd. 2: Atlas, Braunschweig 1882.
Max Ziegert, Die Gambe, in: Zeitschrift für den Instrumentenbau 53 (1932/33), S. 108–111.
Cornelia Schröder-Auerbach: Art. "Harlan, Peter", in: MGG1, Bd. 16 (Kassel 1976), Sp. 596f.

{ow; 2021-11-24}