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Institut für Musikforschung

Balalaikas – De 237, De 248, De 252, De 257

Die Balalaika (балалайка) ist eine russische Langhalslaute (Schallenhalslaute). Sie hat drei Saiten, manchmal zweichörig, und einen dreieckigen Resonanzkörper mit kleinem Schallloch in der Decke, die üblicherweise aus vier Leisten aus russischer Fichte oder Weißtanne besteht. Der flachgewölbte Boden ist in der Regel aus sieben Stücken Ahorn zusammengesetzt. Die Form ist vielleicht das Resultat einer Kombination des Gusli-Psalteriums mit dem Hals der Domra/Dombra. Der früheste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 1688. Die skomorokhis (Minnesänger) sprachen ihr eine Hauptrolle bei der Tanzbegleitung zu. Zar Peter I. verwendete Balalaikas 1715 in einem großen Orchesterzug.

1886 begann im Gefolge eines Konzerts der Aufstieg der Balalaika von einem bäuerlichen zu einem Kunstmusik-Instrument. Zentrale Rollen in diesem Prozess nahmen Vasily Vasilyevich Andrejev (1861–1918), die Instrumentenbauer V. Ivanov, F. Paserbsky und S. Nalimov ein. Letzterer chromatisierte den Hals mit Metallbünden und konzipierte verschiedene Größen. Als Ensembleinstrument gibt es die Balalaika in verschiedenen Stimmregistern: Prim (e' -e'-a'), Sekund (a' -a' -d'), Alt (e' -e' -a), Bass, Kontrabass und Subkontrabass. Prime (e' -e'-a'), Second (a' -a' -d'), Alto (e'-e'-a), Bass (E--A-d) und Kontrabass (E'-A'-D). Piccolo- und Diskantgrößen wurden entwickelt, aber wieder verworfen. Andrejews Gesellschaft der Liebhaber des Balalaika-Spiels gab 1888 ihren ersten öffentlichen Auftritt in Russland und konzertierte 1889 auf der Pariser Weltausstellung. Der Klang der Balalaika fand Eingang in die Kunstmusik-Orchester.

Andrejews Ensemble ging zwischen 1909 und 1912 auf Tournee durch Europa und Amerika. Bald darauf entstanden Balalaika-Orchester in Großbritannien (Royal Balalaika Orchestra, gegründet auf Wunsch des Königs von Prinz Tschagadaeff) und in den USA (russische Einwanderern: St. Louis Russian Balalaika Orchestra, gegründet 1911 von Lewis Spindler; Balalaika-Orchester in New York City, gegründet 1912). In den 1920er Jahren war die Balalaika teil der multinational zusammengesetzen Jazz-Ensembles. Zeugnis ist ein Aufsatz von Alice Gerstel (1894–1943) in der Zeitschrift Die Aktion

Die Balalaika and Domra Society wurde 1961 gegründet. 1974 organisierte John Garvey ein studentisches Balalaika-Orchester an der Universität von Illinois. In der Folge erlebte das Instrument eine Film-Karriere: Charlie Chaplin ließ sich an der Violine und Mandoline oft mit Balalaika begleiten. Nach der Unterdrückung russischer Kultur in der McCarthy-Ära in den 1950er wurde durch des Film "Dr. Schiwago" (1969) ein neuer Hype ausgelöst.


De 248

Prim-Balalaika, Ukrmuzprom, Ukraine, um 1980 (?)

Zettel: "Минместпром УССР | УКРМУЗПРОМ | им. ПОСТЫШЕВА"
(Industrieministerum der Ukrainischen SSR | UKRMUZPROM | IM. POSTYSHEVA)

LBT 68 x 39,4 x 10,5 cm
Länge der Decke: 28,5 cm

3 doppelchörige Saiten
Mensur: 45 cm

17 Messingbundstäbchen, das erste als Sattel
Nr. 10 fehlt

Herkunft: Stiftung Fritz Degel (Blieskastel), 2022


De 257

Prim-Balalaika, Leningrad, Lunatscharsky-Fabrik, ohne Datum (um 1980?)

Zettel: "ММП  | РСФСР | Главное Управление | по производству музыкальнх | инструментов // Фабрика народных (щипковых) | музыкальных инструментов | им. Луначарсного | г. Ленингра[д]"
(MMP | RSFSR | Hauptdirektion für die Herstellung von Musikinstrumenten // Instrumenten-Fabrik für volkstümliche (gezupfte) Musikinstrumente, Lunatscharski, Leningrad; vgl. auch Prim-Domra De 259 und Alt-Domra De 260)

LBT 67 x 43 x 11 cm
Länge der Decke: 27,5 cm

3 Saiten
Mensur 44 cm

Herkunft: Stiftung Fritz Degel (Blieskastel), 2022


De 252

Alt-Balalaika, Rosmuzprom, Leningrad, 17. August 1981

3 Zettel: "ММП РСФСР | Республиканское промышленное | объединенне по производству | музыкальных инструментов | РОСМУЗПРОМ" –
"Ленинградское производственное | объедннение по изготовлению | музыкальных инструментов | 197061 г. Ленинград, ул. Чапаева, 15"
[Stempel:] "17. АВГ 1981"
БАЛАЛАЙКА | АЛЬТ | артнкул N° 226 | отделка способом | аэрогфин | РСТ РСфСР 553-76 | Цена 9 р. 50 к. | 197061 Ленинград, | уа. Чапаева, 15"
(MMP RSFSR | Republikanische Industrie | Industrieverband für die Herstellung von Musikinstrumenten | ROSMUZPROM // Leningrader Produktionsverband | Verband für die Herstellung von Musikinstrumenten | 197061 Leningrad, Chapaeva Str. 15 // [Stempel:] 17. AUG. 1981 | BALALAIKA | ALT | Artikel N° 226 | Sprühlackierung | RST RSFSR 553-76 | Preis 9 Rubel 50 Kopeken | 197061 Leningrad, | Chapaeva-Straße 15)

LBT 80,5 x 52,5 x 13 cm
Länge der Decke 35 cm

3 Saiten
Mensur 53,8 cm

15 Bundstäbchen aus Messing

Herkunft: Stiftung Fritz Degel (Blieskastel), 2022


De 237

Bass-Balalaika, 1920er Jahre

Zettel: "W. RITMÜLLER & SOHN AKTIENGESELLSCHAFT GÖTTINGEN" [1933 wurde die W. Ritmüller & Sohn AG liquidiert]. Die Firma Ritmüller hat diese Instrumente wohl nur verkauft.

LBT 137 x 86 x 19 cm
Dreieckiges Schalloch in der Decke

Die Formensprache des Dreiecks dominiert die Gestaltung der Decke und der Stimmwirbelgriffe.

Herkunft: Stiftung Fritz Degel (Blieskastel), 2022


Literatur: Alice Gerstel, Jazz-Band, in: Die Aktion 12 (5-6), 4. Februar 1922, 90-91. – Martin Kiszko, The Origins and Place of the Balalaika in Russian Culture : Its Migration to the USA, and the Dissemination of Balalaika Orchestras in America with particular Reference to the Kasura and Kutin Collections at the University of Illinois, PhD Diss. University of Bristol 1999. – Martin Kiszko, Balalaika, in: Laurence Libin (Hg.), The Grove Dictionary of Musical Instruments, 2nd ed., New York und Oxford: OUP 2014, Bd. 1, 181–182.

Links: Boto H. Mey: Russische Balalaika.

{Organologie-Seminar, Stella Marte, ow; 2024-05-22}