Deutsch Intern
Institut für Musikforschung

Teilsammlung Fritz Degel: Europa, Süd West

Griechenland (Kreta)

Mit dem Namen lyra werden in Griechenland zwei Instrumente bezeichnet, die man zu den gestrichenen Kurzhalslauten zählt. Nur selten kommt im Festland im Grenzgebiet zur Türkei die podiaki lira vor, die auch als kemedzes oder auch pontische lira bezeichnet wird. Sie entspricht weitgehend der flaschenförmigen, türkischen Schwarzmeergeige karadeniz kemanche; diese wird im Kapitel Vorderasien beschrieben.

Weitaus häufiger ist die zweite Form anzutreffen, die vor allem auf den Ägäischen Inseln und in Kreta zu finden ist und die oft auch kretische Lyra genannt wird. Diese besitzt einen birnenförmigen Körper, Bauch (kafki), Hals (lemos) und Wirbelhalter (kefali) werden normalerweise aus einem Stück Hartholz herausgearbeitet. Die Korpusdecke wird aus einer Koniferenart hergestellt und weist zwei D - förmige Schalllöcher ( matia = Augen ) auf. Drei Darm - oder Metallsaiten werden am oberen Ende der meist hinterständigen Wirbel (striftalia) befestigt und verlaufen zum unteren Korpusende zu einem Vorsprung (oura) an dem der Saitenhalter (kteni) befestigt ist. Das Instrument wird meistens in reinen Quinten gestimmt, z.B. g d1 a1. Ein Alleinstellungsmerkmal ist ein Stimmstock (stilos = Säule oder psihi = Seele), der als ein Fuß des Steges durch ein Schallloch auf dem Boden des Resonators steht und die Schwingungen direkt überträgt. Diese Stegform weisen auch die bulgarische gadulka und die dalmatinische lirica auf. Bis zum zweiten Weltkrieg hatte der konvexe Bogen der kretischen lyra eine rudimentäre Spannvorrichtung und kleine, kugelförmige Glöckchen (yerakokoudouna) zur rhythmischen Akzentuierung. Der heutige Violinbogen wird untergriffig geführt und die Saiten werden von der Seite her mit den Fingernägeln verkürzt. Beim Spielen wird das Instrument senkrecht auf den linken Schenkel gestützt oder zwischen den Schenkeln gehalten.
Die lyra scheint im alten byzantinischen Raum ihren Ursprung zu haben. Eine erste Erwähnung findet sich bei dem persischen Geographen Ibn Khurradadhbih im 9. Jahrhundert n.Chr, weitere Belege zeugen von der Verbreitung in Ostrom. Dieses Instrument scheint nach der Eroberung Konstantinopels als politiki lira (lira der polis = Stadt) in der Volksmusik überlebt zu haben und fand dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Eingang in die türkische klassische Musik. Man bezeichnet sie deshalb in der Türkei als klasik kemence oder  fasil kemencesi (fasil= Kunstmusik) und wird im Kapitel Mittlerer Osten in dieser Webseite beschrieben. Nach dem 1. Weltkrieg und dem verlorenen Krieg gegen die Türken  taucht das Instrument auf dem griechischen Festland in den Anfängen des rebetiko im Smyrna -Stil auf, meist in der Besetzung politiki lira, oud und Tambourin. Ein Hauptverbreitungsgebiet der lira wurde auch Kreta, wo es bis heute zum meist geschätzten Volksinstrument geworden ist. Im Zuge des Bevölkerungsaustauschs nach dem ersten Weltkrieg kamen viele kleinasiatische Flüchtlinge auf die Insel, die auch ihre Musik mitbrachten. So findet sich heute in der Volksmusik Kretas ein deutlicher orientalischer Einfluss, für den Skalen mit anderthalb Tonschritten und Vierteltönen charakteristisch sind.

Kretische Musik ist auch ähnlich wie die orientalische nicht polyphon,sondern monophon, allerdings hoch komplex durch die Verwendung verschiedener Tonskalen. Weil kretische Musik immer auch Tanzmusik ist, verwendet man einfache Rhythmen, meist einen 4/4 Takt. Der Lyraspieler ist die wichtigste Figur bei jedem Fest, er bestimmt den Ablauf, gibt die Themen vor, bestimmt das Tempo und die Improvisationen. Das Lyraspiel ist in aller Regel eine männliche Angelegenheit, die meisten Lieder richten sich an Frauen. Typisch dafür sind die mantinaden, halb gesungene, halb gesprochene, oft improvisierte Reimpaare im Wechsel zwischen Lyraspieler, Laouto und Publikum mit eingestreuten instrumentalen Intermezzi. "So können regelrechte Wort - oder Versgefechte ausgetragen werden, die oft mit Witz, Anzüglichkeiten, Erotik, Nostalgie oder sogar Beleidigungen gespickt sind" [694] Die mantinaden ..."machen den poetischen Teil der Dreiheit Musik, Dichtung (Lieder) und Tanz aus. Sie handeln von Liebe, Leidenschaft, der Schönheit des Lebens, der Freude, der Zuversicht, der Heimatverbundenheit, aber auch von Sorgen und Nöten und der Niedergeschlagenheit der Menschen".[694]
Ähnlich beliebt wie die mantinaden sind die risitika in der kretischen Musik. Neben ähnlichen Themen wie in ersteren werden hier aber auch Verlust und Befreiung, Widerstand und Rebellion, Kampf und Heldentum angesprochen. In immer neuen Varianten werden sie von einem Vorsänger vorgetragen und vom Chor beantwortet. Viele risitika entstanden als Reaktion auf die Unterdrückung zur Zeit der Türkenherrschaft und in der Zeit der deutschen Besatzung.

Der Tanz als dritte Hauptkomponente ist neben Dichtung und Musik auch heute noch ein unentbehrlicher Teil jedes kretischen Festes. Man unterscheidet fünf Hauptarten: erstens den syrtós kritis oder syrtós chaniotis, ein Wechsel zwischen langsamen und schnellen Passagen. Dann den pentozalis (Fünfschritt), welcher in einer Reihe getanzt wird,  den langsamen, schleppenden siganós, den quirligen, akrobatischen malevisiotis oder kastrinos und den Paartanz sousta.
Diese Vielzahl von tänzerischen Ausdrucksformen unterstreicht die Bedeutung dieser Kurzhalslaute in der Volksmusik Kretas. "Die lyra ist nicht nur das Markenzeichen und die "Stimme" kretischer Musik, sie ist das Symbol kretischer Identität schlechthin".[694]

Video Pontische und kretische Lyra [695]
Video Kretische Lyra [696]
Video Kretische Lyra beim Fest [697]
Video Lyra und Tanz [698]

Laouto

Es ist anzunehmen, dass die Venetianer im Verlaufe ihrer 465 Jahre dauernden Herrschaft über Kreta das laouto auf die Insel gebracht haben, wo es zum Hauptbegleitinstrument in den Volksmusikensembles aufgestiegen ist. Es handelt sich dabei um eine Langhalslaute mit einem aus Holzspänen zusammengesetzten, birnen- oder eiförmigen Korpus und Saitenlängen von 68 bis 75 cm. In die Schalldecke aus  Koniferenholz ist ein rundes Schallloch eingeschnitten, das häufig mit einer Rosette gefüllt ist. Unterhalb der Schallöffnung ist immer ein großer, markanter Schlagschutz zum Schutz der Decke aufgebracht. Elf bewegliche  Bünde aus Darm oder Nylon sind um den Hals geknüpft, mehrere weitere sind als dünne Holzleisten auf die Decke aufgeklebt. Das Instrument verfügt über vier doppelchörige Saitenpaare aus Darm oder heute aus Metall. Sie sind in Qinten gestimmt, wobei die tieferen beiden Saitenpaare oktaviert werden: Cc  Gg  d1d1  a1a1. Das laouto wurde früher mit Gänsekiel gespielt, heute werden meist flexible Streifen aus Plastik verwendet, die man wie auch beim arabischen oud üblich, zwischen Zeigefinger und Mittelfinger hindurchführt.

Das Instrument wird selten solistisch verwendet, seine Hauptaufgabe ist die rhythmische und akkordische Begleitung des führenden Melodieinstruments, das in den meisten Fällen die lyra ist. Häufig wird in Kreta noch ein weiteres laouto im Ensemble verwendet, welches eine Quarte tiefer steht und das oft eine heterophone Melodie zur lyra beisteuert. Auch die Mandoline hat in vielen musikalischen Gruppierungen ihren aus der venezianischen Vergangenheit her rührenden Platz behaupten können, ebenso wie die daouli, eine Trommel. Seltener wird der Dudelsack in der Volksmusik Kretas verwendet, dagegen findet sich manchmal die Violine als Ersatz für die lyra.[607, Kap. Laouto][694]

Video Laouto solo [699]
Video Laouto und Tanz [700]
Video Laouto und Tanz [701]

Übriges Griechenland

Nach einer griechischen Quelle [702] soll die bouzouki letztendlich auf die pandouris oder pandourion des 4. Jahrhunderts v. Chr. zurückgehen. Eine Abbildung aus Mantineia im Athener Archäologischen Museum zeigt eine Muse, auf einem Felsen sitzend, die ein solches Instrument spielt. Dieses hatte das Aussehen einer Laute mit birnenförmigem Korpus und einem langen Griffbrett mit beweglichen Bünden und drei Saitenpaaren, die mit einem Federkiel oder Kirschbaumrindenplättchen gezupft wurden. Im östlichen Mittelmeerraum treten ähnliche Instrumente im Laufe der Jahrhunderte über die byzantinische Ära und die Zeit der türkischen Vorherrschaft bis in die Neuzeit immer wieder auf. Sie tragen Bezeichnungen wie pandora, pandourida , pandouris, pandourion, tambouras, saz, boulgkari, liogkari, tsibouri, giogkari, tanbour, thambouras oder bouzouri. Aus der Saz - Familie existiert bis heute ein Instrument mittlerer Größe das bozuq saz oder auch buzuq genannt wird und im türkisch - kurdischen Raum beheimatet ist. Daraus scheint der Name bouzouki abgeleitet zu sein. Diese wird im späten 19. Jahrhundert im griechischen Raum erwähnt, oft auch unter dem Namen trichordo (= Dreisaiter). Nach türkischen Vorbildern besaß sie hinterständige Holzwirbel und verschiebbare Bünde. Je nach gewähltem Modus ( türk = maqam, griech. = dromos) wurde sie auf die entsprechende Skala gestimmt. Ähnlich dem oud wurden häufig taximi (Improvisationen) gespielt, deren Grundmelodien meist aus der traditionellen Musik Großgriechenlands in Kleinasien stammten. Diese Musik war monophon, die Melodie wurde auf den beiden hohen Saiten gespielt, die Basssaite diente als Bordun. Etwa Mitte des 20. Jahrhunderts begann sich der Einfluß westlicher Dur - Mollskalen durchzusetzen, man wandte sich vom maqam ab. Man bevorzugte nun metallene Stimmvorrichtungen, führte feste Bünde aus Metall ein und eine gleichbleibende Stimmung (meistens D a d), und an die Seite der Soloimprovisation trat mehr das akkordische Begleitspiel.

 

Ihre heute herausragende Bedeutung in der griechischen Volksmusik verdankt die bouzouki dem Entstehen des rebetiko, der oft auch als "griechischer Blues" bezeichnet wird. Ähnlich wie dieser entwickelte sich der rebetiko aus städtischen Subkulturen des griechischen Festlandes und Kleinasiens. Seine Wurzeln liegen im späten 19. Jahrhundert in den Kaffehäusern mit Livemusik (café aman), den Gefängnissen, Tavernen und tekes (türkische Haschischkneipen). Die Musik, die hier entstand, befasst sich mit den harschen Lebensbedingungen der städtischen, gesellschaftlichen Unterschichten, die vor allem durch den Zuzug der kleinasiatischen Flüchtlinge ab 1922 stark zugenommen hatten. Millionen hatten ihre Heimat verloren und mussten ohne große Hilfe  in einer fremden Umgebung ein neues Leben wagen, was nicht immer gelang. Armut und Entfremdung, Kriminalität und Trunksucht, Drogenmissbrauch und Gewalt spiegeln sich im rebetiko wider, aber auch Romantik und Leidenschaft, Arbeit, Krankheit, Familie, Tod und Krieg. Zunächst oft mit der outi begleitet, die man aus Kleinasien mitgebracht hatte, setzten sich rasch die bouzouki und die griechische baglama (siehe unten) als musikalische Ausdrucksmittel durch. Diese Musik der niederen Gesellschaftsschichten wurde von breiten Kreisen der etablierten Klasse zunächst vehement abgelehnt, konnte sich aber mit der Zeit eine größere Akzeptanz und Popularität sichern. Späterhin verwendeten mit westlicher Musik vertraute Komponisten wie Theodorakis und Hadjidakis die bouzouki in ihren Werken, indem sie das traditionelle Repertoire mehr an die westlichen Hörgewohnheiten mit Erfolg anpassten.

Die dreisaitige Bouzouki in der Stimmung Dd aa d1d1 oder Ee hh  e1e1 war nur bedingt als akkordisches Begleitinstrument geeignet. Um die Möglichkeiten des Instruments in diesen Bereich hin zu erweitern, fügte Manolis Chiotis kurz nach Ende des 2. Weltkriegs ein viertes Saitenpaar hinzu und es entstand die bouzouki tetrachordo (viersaitige Bouzouki) mit der Stimmung Cc Ff aa d1d1 oder, ein Ton höher gesetzt,  Dd  Gg  hh  e1e1. Aus Gründen der Authenzität verwenden manche Spieler beim rebetiko noch die trichordo während im urban folk und in der populären Musik die tetrachordo dominiert. Heute ist die bouzouki zu einem Symbol der griechischen Volksmusik schlechthin geworden und wird in der ganzen griechisch sprechenden Welt als Identität stiftendes Element verehrt. Eine irische Adaption der griechischen Bouzouki ist die irish bouzouki auf die ich später in diesem Kapitel eingehen werde[702][607,Kap. Bouzouki]

Video Rebetiko [703]
Video Bouzouki trichordo [704]
Video Bouzouki tetrachordo [704]
Video Bouzouki, Gesang und Tanz [706]

Baglama

Ähnlich wie die bouzouki führt auch die griechische baglama ihren Namen auf ein türkisches Instrument der Saz - Familie zurück. Es ist die am meisten verbreitete Form dieses Typs und wird als baglama saz bezeichnet (siehe Kap. Vorderasien-Zentralasien). Um die Jahrhundertwende soll die griechische baglama in den Gefängnissen als erstes aufgetaucht sein, wo auch der rebetiko seinen Ursprung hatte. Die hier eingesperrten Menschen versuchten ihre Verzweiflung und Trostlosigkeit mit Musik erträglicher zu gestalten. Aus einfachsten Materialien, die dort zur Verfügung standen, entstand ein Zupfinstrument in der Form einer verkleinerten bouzouki. Oft benutzte man alltägliche Gegenstände z.B. Drähte für die Saiten oder Metallkessel, Kürbisse und Schildkrötenpanzer zur Herstellung des Korpus. Die baglama hatte ursprünglich nur drei Einzelsaiten und war wie die trichordo bouzouki, aber eine Oktave höher gestimmt. Man spielte zunächst zur eigenen Erbauung oder für einen kleinen Zuhörerkreis. Mit dem rebetiko wurde die baglama populär, ihr scharfer Klang stand im Kontrast zur tiefer gestimmten bouzouki. In den Bands der Kneipen als Rhythmus- und Soloinstrument verwendet, bildete sie einen hochklingenden Gegenpart zu den führenden Bouzoukis.

Die heutigen Instrumente, wie sie nebenstehend abgebildet sind,verfügen alle über doppelchörige Saiten. Man unterscheidet wie bei dem großen Bruder eine dreisaitige und eine viersaitige Form der baglama. Wie fast alle Bouzoukiinstrumente sind auch sie sehr schön mit traditionellen Mustern ornamentiert. Die Schalllöcher sind in der Regel nicht rund, sondern in unterschiedlichen geometrischen oder geschwungenen Formen ausgebildet. Fast immer sind sie dekorativ eingefasst, überhaupt sind die Korpusdecken fast bei allen Instrumenten der Familie sehr reich gestaltet. Der Aufbau der baglama ist der bouzouki ähnlich, der Korpus wird aus einzelnen Spänen zusammengesetzt. Bei der links nebenstehend abgebildeten  baglama tetrachordo, die ich in den siebziger Jahren in der Plaka von Athen erworben habe, erzählte mir der Verkäufer, der Korpus des Instruments sei aus Streifen von Horn zusammengebaut.

Neben bouzouki und baglama gibt es noch eine dritte Variante der Bouzoukifamilie, die tzoura, von der ich leider kein Exemplar besitze. Es handelt sich um eine Zwischengröße, sie ist etwa doppelt so groß wie die baglama, aber kleiner und schlanker als die bouzouki [702]

Video Rebetiko [707]
Video Baglama [708]
Video 3 Baglamas [709]
Video Tzoura [710]

Albanien

Cifteli

Bei dem cifteli handelt es sich um eine zweisaitige Langhalslaute, die hauptsächlich im nördlichen Albanien beheimatet ist. Weniger verbreitet findet es sich in den übrigen Landesteilen, aber auch im westlichen Mazedonien, im Kosovo und  Montenegro. Der Ursprung liegt in der Zeit der türkischen Herrschaft, worauf der Name hindeutet:: cifte telli (türk) kann man als "Paar von Saiten" übersetzen. Andere Bezeichnungen für dieses Instrument sind tamerr, dyzen oder karadyzen in Nordalbanien, tomerr und tambura in Mittel- und Südalbanien.

Das cifteli besitzt einen Korpus in der Form einer halbierten Birne, wie er bei vielen Instrumenten der Dutarfamilie vorkommt. Er wird bevorzugt aus einem Block Maulbeerbaumholz herausgearbeitet. Die Schalldecke besteht aus Kiefern- oder Fichtenholz und wird oft mit landestypischen Motiven verziert. Der lange Hals ist mit elf bis 13 Bünden versehen, die teilweise beweglich sein können.. Die Stimmwirbel sind hinter- oder seitenständig direkt in den Oberteil des Halses eingebohrt, ein Wirbelkasten existiert nicht. Die höher gestimmte Melodiesaite und die tiefere Bordunsaite stehen im Quartintervall zueinander, es gibt aber auch andere Stimmungen. Regionale Varianten besitzen eine doppelchörige oder eine gemischte einchörige und doppelchörige Saitenanordnung, z.B. 1 + 2, 2 + 1, 2 + 2. Gespielt wird es mit einem Plektrum, oft werden  sowohl der Bordun als auch die Melodiesaite gleichzeitig angeschlagen. Man verwendet das Instrument teilweise zur solistischen Improvisation, seine hauptsächliche Bedeutung liegt aber in der Begleitung zum Gesang. Dabei wird oft als zweites Instrument eine sharki verwendet, eine größere Variante des cifteli, mit drei Einzel- bzw. Doppelsaiten in Quart und Quintabstand. Mit Begleitung durch eine dajre, eine einfellige Rahmentrommel mit Schellen und durch eine fyell, einem Mirliton aus einer seitgeblasenen Hohlröhre, deren Öffnungen mit Membranen aus Zwiebelschalenhaut, Seidenkokon oder Papier verschlossen sind, entsteht ein Ensemble, welches auch in der Tanzmusik verwendet wird. Immer häufiger werden westliche Instrumente wie Violine und Akkordeon in den Ensembles eingesetzt. Das cifteli gleicht der citelija, einer zweisaitigen Langhalslaute, die überwiegend in Südserbien und im Kosovo vorzufinden ist.

[607, Kap. cifteli, sharki, fyell]

Video Cifteli solo [711]
Video Cifteli mit sharki [712]
Video Cifteli Duett Improv. [713]

Dalmatien

Lirica

Die lirica ist eine Kurzhalslaute, die überwiegend in Dalmatien in der Region um Dubrovnik und den südlichen dalmatinischen Inseln zu finden ist. Sie ist auch unter den Namen lijerica, lira oder vialo bekannt. Sie scheint letztendlich auf die byzantinische bzw. die kretische lyra zurückzugehen, Form und Größe sind einander sehr ähnlich ebenso wie die Bezeichnung.

Das Instrument wird als Ganzes aus einem Block Ahorn- oder Nussbaumholz herausgearbeitet. Korpus, Hals, Wirbelplatte und Kopf bilden eine Einheit, lediglich die Decke des Resonators wird aus einer dünnen Fichtenplatte auf den Korpus aufgeleimt. Der Kopf im  nebenstehenden Beispiel ist in der Form eines Tieres ausgebildet. Hals, Kopf und die gesamte Rückseite sind vollständig beschnitzt. Die Rückseite zeigt ein Motiv aus zwei Raubvögeln, die eine Schlange in den Fängen halten. Wie ihre Vorläufer ist die lirica dreisaitig, die Melodie wird überwiegend auf der obersten Saite gespielt (kantin), sie ist meist um c2 gestimmt. Die zweite Saite (sekondo) liegt eine Quinte darunter und die dritte (bas) eine große Sekunde unter der ersten. Die Saiten verlaufen von einem am unteren Korpusrand angeschnitzten, kleinen Vorsprung über einen relativ niedrigen Steg zu den drei hinterständigen Holzwirbeln. Der Steg (fehlt beim abgebildeten Instrument) sitzt hier nicht zwischen den beiden D - förmigen Schalllöchern, sondern 2 bis 3 cm versetzt in Richtung Hals. Neuere Videos belegen aber, dass auch wie bei dem kretischen Vorbild und der verwandten Gadulka der Steg zwischen den D - Löchern sitzt und mit einem verlängerten Fuß auf dem Boden des Instruments steht.

Der Spieler stützt beim Spiel in sitzender Haltung das Instrument aufrecht auf seinen linken Schenkel und verkürzt die Saiten mit der linken Hand von der Seite her hauptsächlich mit den Fingernägeln. Die rechte Hand führt den einfachen, manchmal sehr kurzen Bogen (arket), der wie in nebenstehendem Beispiel mit Glöckchen zur rhythmischen Akzentuierung des Spiels behängt sein kann. Die Bogenspannung wird dadurch reguliert, dass man untergriffig mehr oder weniger mit der rechten Hand den Abstand zwischen Bogenstange und den Haaren des Bogens verändert. Typisch für das Spiel ist auch, dass man das Instrument der besseren Spielbarkeit wegen mit der linken Hand etwas nach links oder rechts dreht, beim Spiel wird häufig der Rhythmus mit dem rechten Fuß zusätzlich betont. Die lirica ist das Hauptbegleitinstrument für die dalmatinischen Volkstänze und wird meist solistisch gespielt.

[607, Kap. lirica]

Video lirica [714]
Video lirica [715]

Italien

Lira calabrese

Die lira calabrese ist eine gestrichene Kurzhalslaute, die, wie der Name schon sagt, in Kalabrien/Süditalien zu finden ist. Sie geht auf die griechisch-byzantinische Lira zurück und steht damit in enger Verwandtschaft zu der kretischen lira, der türkischen lira (klasik kemenche), der gadulka Bulgariens und der dalmatinischen lirica. Kalabrien stand von alters her  in enger Beziehung zu Griechenland vor allem als Teil des antiken Magna Graecia und die griechischen Traditionen haben sich teilweise bis heute erhalten. In je neun Dörfern Kalabriens und Apuliens wird heute noch ein griechisch-kalabrischer Dialekt gesprochen, der sich aus altgriechischen, byzantinisch-griechischen und italienischen Elementen zusammensetzt. Über viele Jahrhunderte hat auch die lira calabrese in der Volksmusik dieser Region überlebt, hauptsächlich wohl weil sie eng verflochten ist mit der Aufführungspraxis der Tarantella, dem wichtigsten Volkstanz Süditaliens mit seinem typischen 6/8 Takt. Im 20. Jahrhundert bis gegen Ende der 70er Jahre allerdings schien das Instrument außer Mode zu kommen, dank einer Initiative aus Catanzaro und der Gruppe Re Niliu konnte dies aber verhindert werden. Man setzte sich Anfang der 80er Jahre mit den verbliebenen Liraspielern in der Locride (z.B. aus Siderno,Gioiosa Jonica und Agnana) und am Monte Poro in Verbindung. Man richtete Kurse ein um Bau und Spieltechnik des Instruments zu vermitteln.Seither hat die lira wieder Fuß fassen können und wird wieder häufiger gespielt: Vor allem in Ethno-Popgruppen scheint sie sich steigender Beliebtheit zu erfreuen. Sie wird aber auch solo zur Liedbegleitung und nach wie vor als wichtigstes Begleitinstrument zur kalabrischen Tarantella gespielt, oft zusammen mit tamburello (Tambourin mit Schellen), organetto (Ziehharmonika mit Knopfmechanik), chitarra battente (Gitarre mit fünf Doppelchören nach barockem Vorbild) und Doppelflöte.

Korpus, Hals und Wirbelplatte der lira calabrese werden aus einem Stück gearbeitet und bilden eine Einheit. Über den ausgehöhlten Resonator wird eine Fichtendecke geleimt.Die Form des Instruments entspricht manchmal, wie im nebenstehenden Beispiel, einer halbierten Birne, in etwa wie bei der kretischen Lira. Häufiger ist eine von unten zur Wirbelplatte sich  gleichmäßig verjüngende Form. Diese Platte bildet in den meisten Fällen ein spitz zulaufendes Dreieck, in das die drei Wirbel zum Stimmen der Saiten von hinten gesteckt sind. Diese können aus verschiedenen Materialien gefertigt sein, z.B. aus Pferdehaar oder Darm.. In die Decke des Resonators sind zwei runde oder halbkreisförmige Schalllöcher eingeschnitten zwischen denen der bewegliche Steg steht. Unter den rechten Fuß des Steges wird beim Spielen ein spatelförmiger Stimmstock geschoben, der den Steg mit dem Boden des Instruments verbindet und die Übertragung der Schwingungen verbessern soll. Das  Instrument wird im Sitzen auf das linke Knie oder den linken Oberschenkel aufgesetzt und mit der linken Hand am Hals leicht schräg gehalten während die rechte Hand einen einfachen Bogen führt. Man verkürzt die oberste Spielsaite mit den Fingernägeln der linken Hand, die anderen Saiten werden als Bordune benutzt. Das Instrument kann in verschiedenenTonhöhen gestimmt sein, die oberste Saite (cantino) entspricht dabei der 2. Stufe einer Durleiter, die mittlere Saite entspricht der 5. Stufe, (bordone) aber eine Oktave tiefer, und die dritte Saite ist auf die erste Stufe, (centro tonale) den Grundton der Leiter, wieder in der gleichen Oktave wie die cantino - Saite gestimmt. In G-Dur-Stimmung wäre die höchste Saite a, die zweite d (nach unten oktaviert) und die dritte dann der Grundton g.

In Gebrauch ist auch ein als lirone bezeichnetes größeres und tiefer klingendes Bassinstrument, das  sich ebenfalls in der Form meist zur Wirbelplatte hin gleichmäßig verjüngt. Da die Form der lira calabrese nicht eindeutig festgelegt ist, gibt es auch experimentelle Formen wie das rechts abgebildete Instrument zeigt. Es liegt in der Größe zwischen der normalen lira und der lirone und stammt vom gleichen Erbauer, der auch die links abgebildete, normale lira hergestellt hat. Dieses Unikat mit doppelt geschwungenem Korpusumriss hat er nach eigenen Angaben nach dem Vorbild eines heimischen Kürbisses ("cucuzza") geformt und benannt. Es besitzt eine ungewöhnliche Saitenaufhängung aus mit Holz verstärktem Lederband, welches unterständig an einem Fortsatz des Korpus eingehängt wird. Unüblich sind auch die drei Schalllöcher, zwei symmetrisch in D-Form angeordnet und eines rund sowie eine zweifarbige Holzart (Olive?) des Korpus und die Flammenform der Kopfplatte. [787][788]

Video Lira calabrese [789]
Video Lira calabrese [790]
Video Lirone [791]

Frankreich

Tambourin de Béarn

Das tambourin de Béarn oder tambourin de Gascogne oder einfach tambourin à cordes (Saitentambourin) ist eines der wenigen traditionellen Volksmusikinstrumente Frankreichs. Es kommt nicht nur in den Landschaften Béarn und Gascogne in den Pyrenäen vor, sondern auch in der Provence. Auch auf der spanischen Seite des Hochgebirges ist es in Teilen des Baskenlandes, Navarras, Aragons und in Katalonien zu finden. Bei den Basken wird es als ttunttun oder thun thun bezeichnet, in Aragon ist bertz oder chicoten gebräuchlich, im katalanisch - spanischen Sprachgebrauch lauten die Bezeichnungen chun - chun, salmo, salterio, tamorino de cuerdas, tambor de cuerdas, oder tambori de cordes. Es handelt sich dabei immer um eine mit einem Schlägel gespielte Kastenzither, welche von einem einzigen Spieler als rhythmisches Begleitinstrument zusammen mit einer Einhandflöte als Melodieträger gespielt wird. Diese lange und schlanke Flöte ist meistens dreilochig mit einem Daumenloch und zwei Fingerlöchern. Man nennt sie galoubet in der Provence, in Katalonien flabiol, flabuta in der Gaccogne und txirula bei den Basken.

Das hier abgebildete tambourin de Béarn aus der Sammlung besitzt einen langgezogenen Korpus mit geschwungenen Seiten, der sich zu einem Ende hin verjüngt. In der Resonanzdecke findet man eine geschnitzte Rosette und eine weitere, kleinere Schallöffnung mit drei runden Bohrungen. Es verfügt über sechs Saiten, die am Anfang und Ende der Stirnseiten über zwei hölzerne Stege als Abstandhalter laufen. Ein dritter Steg auf der Resonanzdecke teilt die Saiten im Verhältnis 4 : 3. An der breiteren Stirnseite sitzen senkrecht eingelassene Wirbel aus Holz, die seitlich von zwei Wangen der Seitenzargen geschützt werden. In diesem Beispiel fehlen die cavaliers, das sind kleine, meist kupferne Metallklammern, die so eingestellt sind, dass die schwingenden Saiten sie berühren. Dadurch entsteht ein charakteristisches, unverwechselbares Timbre, das man in Frankreich als bourdon bezeichnet. Die Saiten wurden früher aus Darm hergestellt, heute bestehen sie meistens aus Nylon oder Metall. Ein Teil von ihnen wird oft auf den Grundton der Flöte als Melodieinstrument gestimmt, ein anderer Teil auf dessen Quinte. Der Spieler hält mit einer Hand die Flöte, mit der anderen Hand schlägt er mit einem hölzernen Stab (pimbo = gascognisch) alle Saiten des tambourin gleichzeitig an. Dieses hängt an der Schulter des Armes, mit der die Flöte gespielt wird und ist an die Brust des Spielers angelehnt. Diese Kombination aus Einhandflöte und Saitentambourin findet man auch heute noch in Aragon z.B. in Jaca beim Patronatsfest der St. Orosia am 25. Juni. Hier gibt das chicoten den Tänzern beim Fest den Rhythmus vor. In Soule im französischen Baskenland erklingt das ttunttun bei ländlichen Festen und Hochzeiten und bei einer Art Maskerade um die Osterzeit. Auch in der neu entstandenen Mittelalterszene haben sich Einhandflöte und Saitentambourin etabliert.

Das Instrument war schon in der Zeit der Renaissance in Frankreich hauptsächlich als Begleitung zum Tanz erwähnt. In Spanien merkt Covarrubias 1611 in seinem "Tesoro de la lengua" an, dass der tambor de cuerdas in den Dörfern bei Prozessionen, Hochzeiten und Tänzen gespielt wurde. Ikonographische Quellen aus diese Zeit lassen den Schluss zu, dass es vom 14. - 16. Jahrhundert in ganz Spanien verbreitet war. Eine Blütezeit erlebte das Instrument im 18. Jahrhundert als das pastorale Leben in den Schäferspielen als Ideal dargestellt wurde. In den Bildern von Nicolas Lancret und Francois Boucher wird das Instrument als Sinnbild dörflichen Musizierens dargestellt. Auch in Rameaus Opernballetten und bei höfischen Tänzen kommt es als Borduninstrument und exotische Komponente zum Einsatz.Während und nach dem Ende dieser vorübergehenden musikalischen Modeerscheinung blieb das tambourin de Béarn bis heute aber in den beschriebenen Regionen ein wichtiges Element der musikalischen Volkskultur.[716][717][607, Kap tamb. de Béarn]

Video Tambourin Umzug [718]
Video Tambourin solo [719]
Video Tambourin Tanz [720]

Spanien

Bandurria

bandurria und laud sind zwei spanische Volksmusikinstrumente, die man zu den Kurzhalslauten rechnen kann. Eine tuna, ein studentisches Ensemble aus mehreren Gitarren und mehrfach besetzten bandurrias und laudes, oft begleitet von einer oder zwei panderetes(Schellentambourin) ist an vielen spanischen Universitäten Bestandteil einer musikalischen Tradition. Man spielt überlieferte Studentenlieder (z.B. en esta noche clara) aber auch Volkslieder und international bekannte Ohrwürmner.Diese Tradition wurde auch von etlichen südamerikanischen Universitäten übernommen. (siehe Video 723). Auch in den rondallas, den Ensembles, die die jota aragonesa, den Nationaltanz in Aragon begleiten, sind bandurria und laud mit der Gitarre bis auf den heutigen Tag die Hauptinstrumente.

Die bandurria besaß früher einen birnenförmigen Korpus mit breiten Zargen und einem flachen Boden. Ein kurzer Hals war mit festen Bünden versehen und endete in einer massiven Wirbelplatte, durch die von hinten her die hölzernen Wirbel zur Aufnahme der Saiten gesteckt waren, wie das abgebildete, historische Instrument zeigt. Heute dagegen sind ausschließlich Mandolinen- oder Gitarrenmechaniken in Gebrauch, auch hat sich ein mehr eiförmiger Korpus  durchgesetzt (siehe Bandurria modern). Die sechs doppelchörigen Saiten sind an einem unterständigen metallenen Saitenhalter befestigt und verlaufen über einen aufgeleimten Steg mit einem Knochen- oder  Hartkunststoffriegel über das runde Schallloch zu den Stimmwirbeln.

Juan Ruiz erwähnt den Begriff mandurria im 14. Jahrhundert im Libro de buen amor, 1555 beschreibt Juan Bermudo die bandurria in seiner Comienca el libro llamado declaracio de instrumentos als ein dreisaitiges Instrument, merkt aber an, dass es auch vier und fünfsaitige Versionen gab. Bei der dreisaitigen Variante lagen die beiden äußeren Saiten im Oktavabstand, die mittlere war eine Quarte höher als die tiefe Saite gestimmt. Die Stimmung war meist d g d oder d a d. In der Barockzeit wies die bandurria meist vier oder fünf Doppelchöre auf mit der Stimmung CisCis  FisFis  hh  ee aa. Im 19. Jahrhundert wurde eine sechste Doppelsaite hinzugefügt und die Stimmung lautet bis heute GisGis  CisCis  FisFis  hh ee aa. Gespielt wird das Instrument mit einem Plektrum ähnlich wie eine Mandoline.

Mit den spanischen Eroberungen kam die bandurria auch auf die Philippinen und vor allem auch nach Mittel- und Südamerika. In Kuba begleitete man damit zusammen mit anderen Instrumenten den zapateo, eine Variante des spanischen zapateado - Tanzes. Auch in der Begleitung von vom spanischen Einfluß inspirierten kubanischen Liedern war die bandurria gefragt. Sie ist heute in verschiedenen Varianten von Saitenchören (doppelt, dreifach, vierfach) von Guatemala über die Anden Kolumbiens bis nach Chile bekannt. Die Kombination Harfe und bandurria cuzquena war in Peru vor allem um Cuzco im 20. Jahrhundert beliebt, Ensembles von bandurrias spielen gern den populären vals peruano oder vals criollo.

Die laud ähnelt in vielem der bandurria; sie hat die gleiche Saitenanordnung ( 6 mal zwei) und ist gleich gestimmt, aber eine Oktave tiefer. Die Saitenbefestigung und die Mechaniken entsprechen sich auch. Unterschiede liegen in der Form, die laud hat geschwungene Zargen, auch die Schallöffnung ist oft nicht einfach rund sondern besteht aus F - Löchern und/oder tropfenförmigen und runden Deckenausschnitten. Bei der laud setzt der Korpus am 12. Bund wie bei der Gitarre an, bei der bandurria aber schon am 7. Bund. Eine kubanische Variante der laud ist insgesamt kürzer und ist DD  FisFis  HH  ee  aa  dd  gestimmt. [607,Kap. Bandurria],[721][722]

Video Tuna südam [723]
Video Tuna [724]
Video Tuna [725]
Video Rondalla [726]
Video Rondalla [727]

Portugal

Guitarra portuguesa

Die guitarra portuguesa stammt nicht von der Gitarre ab, sondern gehört zur Familie der Cistern. Ihr Vorläufer war höchstwahrscheinlich die english guitar, eine Cisternart, die in England etwa von 1750 bis 1810 ihre Blütezeit hatte und durch ihren Namen den Unterschied zur spanischen Gitarre zum Ausdruck bringen sollte. Beide haben viele Gemeinsamkeiten z.B. die Form des Korpus und die schwingende Saitenlänge, am hervorstechendsten ist aber die Mechanik der Stimmwirbel. Der englische Ingenieur John N. Preston entwickelte um 1760 eine Schraubenfächermechanik für die english guitar, die  auch bei den meisten portugiesischen guitarras Anwendung findet. Um Platz zu schaffen für die Schrauben der Mechanik, schweift das Kopfteil im geschwungenen Bogen nach hinten, was zu einem charakteristischen Merkmal des Instruments geworden ist. Die guitarra portuguesa tritt in zwei Hauptformen auf, die Form die in Lissabon gebaut wird und die in Coimbra übliche. Das abgebildete Instrument stammt aus Lissabon, die Form des Korpus mit dem flachen Boden ist fast rund. Von den sechs doppelchörigen Saiten sind die drei tieferen oktaviert, die drei oberen unisono. Sie verlaufen über einen schmalen, hölzernen Steg und ein rundes Schallloch über das leicht gerundete Griffbrett mit 18 Metallbünden zu der besagten Schraubenmechanik. Während die english guitar 10 Saiten besaß und c e  g g   c1c1  e1e1  g1g1 gestimmt war, lautet die Stimmung in Lissabon d1d   a1a   h1h   e1e1  a1a1  h1h1. Man unterscheidet zwei Spieltechniken, einmal wird nur der Zeigefinger der rechten Hand benutzt (dedilho - Stil) und zum anderen benutzt man Daumen und Zeigefinger im Wechsel (figueta - Stil). Bei beiden Methoden werden Fingerpicks (portug. = unhas) zum Spielen aufgesetzt. In Coimbra hat die guitarra eine größere Saitenlänge und der Korpus ist etwas schlanker; sie ist auch einen Ton tiefer gestimmt als in Lissabon c1c  g1g  a1a  d1d1  g1g1  a1a1.

Die guitarra wird in Portugal erstmals 1796 von Silva Leite in seinem Lehrwerk Estudo da Guitarra erwähnt. Zunächst war sie ein Instrument der gehobenen Gesellschaft, erlebte dann aber einen Niedergang und war nur noch in der Hand von Bettlern zu sehen oder in berüchtigten Tavernen.Als der fado Mitte des 19. Jahrhunderts geboren wurde, erlebte die guitarra ihre Renaissance. Ersterer hat seinen Ursprung in den Armenvierteln bairro alto und der alfama (Altstadt) von Lissabon.
fado komt vom lateinischen fatum (Schicksal, portugies. fadu) und ist ein Musikstil, bei dem ein oder mehrere Sänger oder Sängerinnen von einer oder mehreren guitarras und einer oder mehreren violaos (klass. spanische Gitarren), manchmal auch zusätzlich von einem Kontrabass oder einer Bassgitarre (violao baixo) begleitet werden. Die Lieder werden oft in einem dramatischen Stil vorgetragen, meist von schwarz gekleideten Interpreten. Die Lieder erzählen von unerfüllter Liebe, Trennung und Schmerz, sozialen Missständen, von vergangenen Zeiten und der Sehnsucht nach besseren; vor allem aber wird die saudade (etwa Weltschmerz) besungen. Ähnlich wie der Rebetiko Griechenlands etablierte sich der fado im Verlauf des 19. Jahrhunderts allmählich auch in den bürgerlichen Kreisen und ist heute in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.

Man unterscheidet zwei wesentliche Formen: zum einen den fado vadio, der in den Lokalen der großen Städte spontan gesungen wird und bei dem sich die Zuhörer mitunter mit improvisierten Versen einbringen; zum anderen den fado professional, der von Berufsmusikern in festgelegten Programmen in Konzerten dargeboten wird. Um 1870 wurde die guitarra in studentischen Kreisen der alten Universitätsstadt Coimbra populär und begründete hier einen eigenen Fadostil, dessen Themen das städtische und studentische Leben sowie die Liebe beinhalten. Neben der Begleitung des fado hat sich auch ein beachtliches Repertoire an Sololiteratur für die guitarra portuguesa herausgebildet. Eine ganze Reihe hervorragender fadistas und guitarristas trägt zur Beliebtheit von Fado und Guitarra  in ganz Portugal bei. [607, Guit. portug., english guitar][728][729][730][731]

Video Guitarra solo [732]
Video Guitarra und Viola [733]
Video Fado 4 Sänger [734]
Video Fado 2 Sänger [735]
Video Ana Moura [736]
Video Fado Coimbra [737]

Portugiesische Gitarren

In Portugal findet man etliche, nach Regionen und Landschaften verschiedene Abarten der spanischen Gitarre, die hier wie oben gesagt, meist als violao bezeichnet wird, manchmal aber auch guitarra classica oder guitarra espanhola heißt. Diese Arten sind meist kleiner als ihr Vorbild und werden darum diminutiv als viola bezeichnet. Im Gegensatz zur guitarra portuguesa, deren Korpus einfach gerundet ist und einen unterständigen Saitenhalter aufweist, sind die Zargen an den Seiten der verschiedenen Violaarten mehr oder minder stark eingezogen. Die Saiten sind auf der Decke auf einem aufgeleimten Saitenhalter mit Pins befestigt. Alle Arten werden in der Volksmusik zur Begleitung von einem oder mehreren Sängern benutzt, darüberhinaus werden sie auch solistisch oder in ganzen Ensembles oder Orchestern gespielt.

Die links abgebildete viola braguesa stammt, wie der Name schon sagt, aus Braga, der Provinzhauptstadt der Minhoregion im Norden Portugals und ist hier das populärste Instrument in der Volksmusik. Der Korpus hat die Form einer kleinen Gitarre mit nicht zu stark eingezogenen Seiten und einem flachen Boden. Auf der Schalldecke sticht im unteren Drittel der meist dekorativ gestaltete Saitenhalter ins Auge. Von hier verlaufen die Saiten zunächst über einen schmalen Steg und führen über die ebenfalls dekorativ  gestalteten Schallöffnungen hinweg über den relativ kurzen Hals mit zehn festen Metallbünden zu dem durchbrochenen Wirbelkasten mit Gitarremechaniken. Die hier vorliegende Kombination von drei Schalllöchern, einem Halbkreis mit zwei darüberliegenden tropfenförmigen Öffnungen ist traditionell überliefert und wird als boca de raia  (Rochenmaul) bezeichnet. Beim Betrachter entsteht aber zusammen mit der umschließenden Verzierung der Eindruck eines lachenden Gesichts. Die 10 Metallsaiten sind in fünf Doppelchören angeordnet, wobei die unteren drei Paare oktaviert sind. Man unterscheidet zwei Stimmungen, die man als moda velha (alter Stil) oder als mouraria velha (alter maurischer Stil) bezeichnet. Eine übliche Stimmung ist  cc1 gg1 aa1  d1d1  g1g1. Meistens in Ensembles werden zur Erweiterung des Tonumfangs kleinere Varianten der viola braguesa eingesetzt, die man als requinta oder in noch kleinerer Bauweise als requintinha bezeichnet. Sie werden in der Regel eine Quinte höher gestimmt. Im westlichen Portugal spielt man die viola toeira, die der viola braguesa sehr in Form und Ornamentierung ähnelt. Ihre zwölf Saiten sind in Dreifach- und Doppelchören angeordnet und zwar in folgender Stimmung: Aaa Ddd Gg hh ee.

Die rechts abgebildete viola beiroa wird im östlichen Teil Portugals in der beira baixa nördlich des Tejo um die Stadt Castelo Branco gespielt. Sie ist etwa gleich lang wie die Bragaversion, im Gegensatz dazu ist der Korpus aber stark tailliert. Das Schallloch ist einfach rund gestaltet. Eine Besonderheit ist, dass das Instrument über zehn Hauptsaiten verfügt und über zusätzlich zwei hohe Bordunsaiten. Sie werden über Wirbel gestimmt, die in einem kleinen, seitlich am Hals befestigten Wirbelbrettchen sitzen und verlaufen über einen kleinen, auf der Decke aufgeleimten Steg zu dem Saitenhalter mit sieben Pins, fünf für die Doppelchöre und zwei für die Bordune. Alle Saiten laufen über einen Steg, der kurz vor dem Saitenhalter steht und führen über den Hals mit zehn festen Metallbünden zu einem Wirbelbrett, bei dem die Aufnahmestifte von unten durch das Brett hindurchgeführt sind. Für die viola beiroa wird folgende Stimmung angegeben:  Aa  Dd  Gg  hh  dd, die Bordune sind ebenfalls auf dd gestimmt.
Nördlich von Porto um die Stadt Amarante spielt man die viola amarantina. Typisch für sie sind zwei symmetrisch angeordnete herzförmige Schalllöcher. Sie hat ebenfalls zehn Saiten mit der Stimmung Dd Aa Hh ee aa. Südlich des Tejo in der Landschaft Alentejo spielt man die viola campanica, deren Name schon auf ihre ländliche Herkunft verweist. Sie ähnelt sehr der viola beiroa mit ihrem stark eingezogenen Korpus, verfügt aber nicht über deren Bordune. Sie besitzt zehn Bünde und zusätzlich noch einige auf der Decke, das Schallloch wird oft mit einer Windrose verziert.

Außerhalb des portugiesischen Festlandes auf den verschiedenen Inseln der Azoren findet sich noch eine ganze Reihe von ähnlichen Volksgitarren. Man bezeichnet sie manchmal auch als viola da terra (Erde) oder viola de arame (Draht). Eine häufig anzutreffende Stimmung für die 12-saitige Variante lautet: a a1a1  d d1d1   g g   h h   d1d1. Auf der Insel Terceira z.B. findet man die fünfzehnsaitige viola terceira, auch sie ist in dreifachen und doppelten Chören gestimmt: Eee Aaa Ddd Gg hh ee. Auch in Brasilien finden sich noch verschiedene Volksmusikinstrumente, die mit den portugiesischen verwandt sind und den Namen Viola tragen, wie z.B. die viola de Queluz.
[607, Kap. viola (ii)][738]

Video viola braguesa [739]
Video viola braguesa [740]
Video viola beiroa [741]
Video viola beiroa [742]

Cavaquinho

Beim cavaquinho handelt es sich um eine schmales Instrument mit vier Saiten aus der Familie der Gitarren. Es ist ein in Portugal in verschiedenen Modifikationen weit verbreitetes Instrument und findet sich auch in vielen südamerikanischen Ländern als kolonialer Exportartikel unter verschiedenen Ausprägungen und Bezeichnungen.
Der portugiesische Begriff  cavaqu -inho bedeutet soviel wie kleiner Holzsplitter und verweist auf die Größe des Instruments. Auf dem portugiesischen Festland finden sich zwei Haupttypen. Im Norden ist in der Minho - Region und Coimbra um die Städte Guimaraes, Braga und Porto die minhoto - Form angesiedelt, welche als besonderes Kennzeichen die boca de raya aufweist, die oben beschriebene Schalllochform, die man auch bei der viola braguesa findet. Man spielt es überwiegend im rasgado- Stil, bei dem alle Saiten simultan angeschlagen werden, solistisch oder mit anderen Instrumenten zusammen zur Begleitung von Gesang und Tanz. Griffbrett und Schalldecke liegen in einer Ebene, ersteres hat üblicherweise 12 Bünde. Die Saiten werden an einem aufgeleimten, hölzernen Saitenhalter befestigt, der auch als Steg dient, und führen über den Hals zu dem durchbrochenen Wirbelbrett mit Metallmechaniken, wie bei Gitarren üblich.Verschiedene Stimmungen sind bekannt, heute weit verbreitete lauten: d1g1h1d2 oder c1 g1 a1 d2. Andere Varianten sind d1a1 h1 e2 ( die alte portugiesische Stimmung), d1g1h1e2 für solistisches Spiel in Brasilien, g d1a1e2 (Mandolinstimmung) oder  g c1e1 a1 (Ukulelenstimmung). Stahlsaitenversionen des minhoto werden oft auch als machete oder um die Stadt Braga als braguinha bezeichnet. Weiter im Süden um Lissabon und der Algarve ist das Schallloch einfach rund, wie im abgebildeten Beispiel, die Anzahl der Bünde beträgt bis zu 17. Man verwendet das Instrument zum Melodiespiel meist im punteado - Stil, oft mit einem Plektrum. In Madeira und auf den Azoren findet sich meistens die letztgenannte Variante, man nennt sie dort auch machete. Von hier aus wurde sie von Auswanderern nach Hawaii gebracht und wurde zur ukulele (siehe Kap. Ukulele, Nordamerka).
In Brasilien findet sich eine eigene Form des cavaquinho (siehe Kap. cavaquinho, Südamerika), eine kleinere Form heißt dort cavaco und wird in Samba - Ensembles gespielt, aber auch im choro. Ebenso weist die Familie der cuatros deutliche Gemeinsamkeiten mit dem portugiesischen cavaquinho auf. Man findet diese Instrumente vor allem im karibischen Raum, besonders in Venezuela und in Puerto Rico spielen sie in der Volksmusik eine bedeutende Rolle. Auch auf den Kapverdischen Inseln findet sich das cavaquinho als Import aus Brasilien in der dortigen Form und wird dort als Rhythmusinstrument in musikalischen Genres wie morna oder coladeira verwendet. [607, Kap. cavaquinho][743]

Video Cavaquinho [744]
Video Cavaquinho [745]öp
Video Cavaquinho Ensemble [746]

Timple canario

Das timple, das hier links abgebildet wird, ist eine kleine Gitarrenart, die auf den Kanarischen Inseln zu einem der typischen Saiteninstrumente geworden ist. Die Guanchen, die Ureinwohner dieser Inselgruppe, die ab 1402 von den Portugiesen unterworfen wurden, kannten keine Saiteninstrumente. Dies bezeugt der spanische Dichter Antonio de Viana, der um 1600 auf Teneriffa lebte. Er beschreibt auch, dass Kolonisten Gitarren mitgebracht hätten. Um 1752 veröffentlicht in Madrid Pablo Minguet ein Lehrwerk für Gitarre, Bandola und tiple, wie das Instrument damals genannt wurde. Ein Vergleich mit den heutigen Instrumenten zeigt, dass das damalige tiple die gleiche Saitenanordnung und die gleiche Stimmung aufwies wie das heutige. Auch die Spielweise war identisch. Später wurde in der Mitte des Wortes der leichteren Aussprache wegen ein m eingefügt (Epenthesis). Man kann annehmen, dass schmalere Formen der Renaissance - oder Barockgitarre als Vorläufer anzusehen sind. Vieles deutet darauf hin, dass die ersten timples auf Lanzarote gebaut wurden.

Das kanarische timple hat normalerweise 5 Stahlsaiten, die in einer Oktave g1 c1 e1 a1 d1 gestimmt werden. Bei einer Variante auf Teneriffa fehlt die G - Saite. Der Saitenhalter ist auf der Decke aufgeleimt, die Wirbel sind von hinten durch die Wirbelplatte hindurchgesteckt. Der Korpus ist schlanker und weniger eingezogen als bei Gitarre und Cavaquinho. Die ebene Decke wird aus Zirbelkiefer-, Zedern- oder Lindenholz gefertigt. Zargen und Boden werden aus dem Holz des Guajakbaumes, aus Ahorn-, Zypressen- oder Walnussholz. Die Zargen sind an den Enden 5 cm und in der Mitte  6 cm hoch. Auf sie ist als Alleinstellungsmerkmal ein gewölbter Boden aufgesetzt, der in der Mitte eine Höhe von 8,5 cm aufweist. Das timple zeigt damit eine ähnliche Bodenform wie die mexikanischen Instrumente  vihuela und guitarron, wo man diese Bauweise als pecho de gallo  (Hühnerbrust) bezeichnet. In Anlehnung zu der Nähe des afrikanischen Kontinents nennt man es auf den Kanaren camellito sonoro (klingendes Kamelchen). Man kann das timple ähnlich wie die Gitarre im punteado (Melodie), arpeggio (harfenartig nacheinander), oder rasgueado ( gleichzeitig über alle Saiten) spielen. Es dient haupsächlich als Begleitung zu Lied und Tanz, oft zusammen mit anderen Instrumenten wie Gitarre und Bandurria.

Im Zuge der Eroberungen und des nachfolgenden kolonialen Handels verbreiteten sich die Kleingitarren von Spanien und Portugal unter dem Namen tiple rasch aus und sind heute in Mittel- und Südamerika sowie in Südoststasien anzutreffen. Das kanarische timple ist wohl als Vorläufer des tiple columbiano anzusehen, das ursprünglich vier einzelne Darmsaiten aufwies. Heute ist es ein Instrument etwas schmaler als eine Gitarre, welches vier Triplechöre aufweist, wobei die mittlere Saite der drei unteren Paare eine Oktave tiefer eingestimmt wird. Es wird wie die vier obersten Saiten der Gitarre eingerichtet: d g h e. Das tiple Venezuelas ist baugleich, aber schmaler und wird auch als guitarro segundo bezeichnet. In Guatemala und Peru werden fünfsaitige Varianten als guitarrilla bezeichnet. In Puerto Rico gibt es timples mit 3 bis 5 Einzelsaiten und vielen verschiedenen Stimmungen. Man unterscheidet fünf Arten: tiple grande de Ponce, tiple con macho, tiple doliente, tiple requinto costanero, tiple requinto de la montana mit einer Größe zwischen etwa 60 und 30 cm. In Kuba wird eine schmale Bandurriaform mit fünf Saitenpaaren als tiple bezeichnet. Auch in der Dominikanischen Republik, Uruguay und Argentinien findet man Formen des tiple. Nicht zuletzt geht auch das fünfsaitige kroncong Westjavas und das dreisaitige tiape der Philippinen auf die spanisch-portugiesische Kleingitarre zurück.[607,Kap. tiple, Kap. guitar §8][747][748]

Video Timple [749]
Video Timple [750]

Irland

Irish (gaelic) harp

Harfen gehören zu den ältesten Instrumenten der Menschheit. Man unterscheidet nach ihrer Form drei Hauptarten : Bogen- ,Winkel- und Rahmenharfen. Bei letzteren sind Resonatorkasten und Saitenträger, die auch Bestandteil der beiden ersten Arten sind, durch eine Vorderstange verbunden. Die ersten Harfen der Alten Zeit waren vom offenen Typus und besaßen  gebogene oder gewinkelte Saitenträger in vielen Arten und Größen sowie unterschiedlichen Spielpositionen und Spieltechniken.  Die  Mehrzahl  von ihnen wurde entweder horizontal oder vertikal zum Körper des Spielers gehalten. Die Saiten  wurden teils mit den Fingern gezupft oder sie wurden mit einem langen Plektrum angerissen.  Beide Methoden sind  auf Darstellungen aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. zu finden. Wird ein Plektrum verwendet, ist die linke Hand auf den Darstellungen oft nicht zu sehen, wahrscheinlich wurde sie zum Dämpfen unerwünschter Saiten benutzt, die beim Überstreichen mit dem Plektrum nicht mitklingen sollten. Diese archaische Technik verwenden noch heute Krar - Spieler in Eritrea/Äthiopien und Gusli- oder Kantelespieler in Ost- bzw. Nordeuropa.

Das Bild einer senkrecht gehaltenen Bogenharfe erscheint zum ersten Mal in einem sumerischen Piktogramm um 3000 v. Chr. Auf einer Vase von Bismaya (Mesopotamien) aus dem späten 3. Jahrtausend v. Chr. ist eine horizontal gehaltene Bogenharfe zu sehen. Rahmenharfen mit einer Stütze zwischen Resonator und Saitenträger erscheinen viel später erstmals in Griechenland und Italien um 450 - 350 v. Chr. Sie gerieten allerdings in Vergessenheit und tauchen wieder im 8. Jahrhundert in Europa als Prototyp der europäischen Harfe auf. Die Saitenzahl der frühen Harfen war gering, Bogenharfen besaßen meist weniger als zehn Saiten, eine hatte nur drei. Winkelharfen besaßen von Anfang an mehr Saiten, nämlich 15 bis 29. Die europäische Rahmenharfe konnte auf Grund ihrer Konstruktionsmerkmale eine größere Saitenzugkraft und damit auch eine größere Anzahl von Saiten aufnehmen. Charakteristisch für die mittelalterliche europäische Harfe war, dass der Resonator aus einem Stück Holz herausgearbeitet wurde. Die meisten hatten Holzdecken, bei einigen wurde aber Leder als Deckenbezug verwendet. Die Saiten wurden aus verschiedenen Materialien gefertigt: gedrehte Därme, Sehnen, Leder und Pferdehaar (z.B. Wales) wurden verwendet, aber auch Metalle (Bronze, Kupfer), Edelmetall (Silber) und Seide. Mittelalterliche Harfen hatten etwa einen Tonumfang wie die menschliche Stimme.

Der Aachener Dagulf - Psalter von vor 795 n. Chr. enthält eine Szene bei der König David die Harfe spielt, begleitet von Cimbel und Laute. Die erste bekannte Darstellung einer dreieckigen Rahmenharfe findet sich auf dem Stein von Nigg im schottischen Hochland in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts. Insgesamt 12 Rahmenharfen werden auf Steinkreuzen in Schottland gezählt, die aus dem 8. bis 10. Jahrhundert datieren, fast alle im Zusammenhang mit dem Harfe spielenden König David. Aber erst das Instrument, das auf dem Shrine of St Mogue aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts abgebildet ist,  kann als erste Darstellung angesehen werden, die die typischen Merkmale der  irish harp aufweist. Die erste schriftliche Quelle erscheint im Jahr 1188 in der Topographia Hibernica des Geraldus Cambrensis, der anmerkt, dass die Saiten der Harfe eher aus einer Kupferlegierung denn aus Darm hergestellt seien. Ein anderes Merkmal ist, dass es sich bei dieser Harfe um eine Rahmenharfe handelt, oft mit einem sich nach unten erweiternden Resonator (com) aus einem Stück Nadelholz. Die Vorderstange (lamhcrann) ist massiv ausgebildet  und strebt im markanten Bogen nach vorne und nach oben zum Hals (Saitenträger), mit dem er oft durch Zapfen und Loch verbunden ist, ebenso wie mit dem Korpus. Der Hals (cor) ist gleichermaßen massiv und geschwungen und trägt die metallenen Stimm- und Umlenkstifte, wie nebenstehend zu sehen ist. Heute sind hier meist noch die Halbtonklappen (levers) angebracht, mit der jede Saite einen Halbton höher gestimmt werden kann. Die irish harp hatte im 17. Jh. 29 - 31 Saiten und im 18. Jh. 35 oder 36, während Bunting 1792 die Zahl 30 nennt. Die überlieferten Instrumente waren für eine einzige Saitenreihe gedacht, die diatonisch angeordnet war, mit einem unisono gestimmten Saitenpaar (meist g) in der Mitte. Diese wurde ne cawlee genannt und lag an der Schnittstelle von linker und rechter Spielhand. Von hier aus wurde dann die Harfe diatonisch auf- und abwärts gestimmt. In Irland waren die Saiten ganz überwiegend aus Messing, seltener aus Silber, Stahl oder einer Kupfer - Zinklegierung. Der Tonumfang lag bei C bis d3. Die linke Hand spielte die Diskantsaiten, die rechte die Bässe. Man benutzte dazu nicht die Fingerkuppen, wie sonst üblich, sondern die Fingernägel. Diese Technik in Verbindung mit den Metallsaiten ergibt den typischen Klang des Instruments, den Prätorius schon als "ausdermaßen liebliche Resonanz" lobte. Im irischen gälisch hieß das Instrument clairseach, im schottischen gälisch clarsach. Außerhalb spricht man von der early irish harp oder auch cruit, wenn man die irische Variante meint. Bezieht man sich auch auf Schottland, spricht man eher von der early gaelic harp oder auch wire harp; auch der mehr allgemein gehaltene Begriff celtic harp ist gebräuchlich und schließt Gebiete wie Wales oder die Bretagne mit ein.

Harfe und Harfenspieler genossen in der mittelalterlichen gälischen Gesellschaft Irlands und Schottlands hohes Ansehen. Quelle dieser Reputation war die bedeutende Rolle, die Instrument und Spieler bei der Adelsklasse auf deren Landgütern spielte: sie begleiteten die Rezitation der Lobpreisungen für die adlige Oberschicht. Die Gedichte mit den Lobgesängen waren Bestandteil der mündlichen Überlieferung und dienten augenscheinlich dazu, die Stellung des jeweiligen Adelsgeschlechts in der Gesellschaft zu stärken. Die Harfe hatte im iro - schottischen Raum vom ausgehenden 16. Jahrhundert bis in die Stuart - Ära des frühen 17. Jahrhunderts ihre Blütezeit. Politische Wirren im 17./18. Jh. führten zum Niedergang und Verschwinden des gälischen Adels. Hinzu kam ein Wandel des musikalischen Geschmacks und die Konkurrenz voll chromatischer Instrumente, die die Harfe im Verlauf des 18. Jahrhunderts in den Hintergrund drängten.1792 rief man die die noch verbliebenen meist blinden Harfenspieler zusammen und der junge Organist Edward Bunting aus Belfast transkribierte direkt das Repertoire der anwesenden Spieler. Der größte Teil der heute bekannten Stücke stammt aus seinen Notizen und aus anschließender jahrelanger Feldarbeit, bei der er auch die Besonderheiten der Stimmung und Spieltechnik erfasste. Im 19. Jahrh. wurde eine Irish Harp Society gegründet und man versuchte vor allem arme, blinde Kinder an der Harfe auszubilden. Diese Bemühungen zeitigten wenig Erfolg und Ende des 19. Jahrhundert war die Tradition der irischen wandernden Harfenspieler so gut wie erloschen. Im 20. Jh. hat sie sich einen festen Platz als ein Element der musikalischen Volkstradition zurückerobern können, nicht zuletzt durch Protagonisten wie Alan Stivell und wird in den irish pubs, den ceili (musikalischen Treffen mit Tanz) und den Konzertsälen wieder gern gehört. Allerdings verwenden heute viele Harfenspieler/Innen oft umsponnene Saiten für die Bässe und Darm- , Nylon- oder Perlonsaiten für die höheren Töne.

In der irischen Rebellion von 1798 taucht die Harfe als ein Symbol der irischen Nationalisten auf. Man bezog sich dabei auf die brian boru harp im Trinity College in Dublin aus dem 15. Jh., die heute als Urbild der irish harp angeshen wird (und wohl auch dem hier abgebildeten Instrument Pate gestanden haben mag). Diese Harfe erscheint heute im offiziellen Siegel Irlands als staatliches Emblem auf amtlichen Dokumenten und ist auf den irischen Münzen ab 1926 und nach der Einführung 2002 auch auf dem irischen Euro eingeprägt, was die Bedeutung der Harfe als natinales Symbol hervorhebt.
Harp 2 habe ich im Kapitel Europa Mitte bei der Hakenharfe beschrieben.

[607, Kap. harp und  irish harp]

Video irish harp trad. [751]
Video irish harp Jig [752]
Video scottish melody [753]
Video irish Harfe und Gruppe [754]
Video irish harp und Gesang [755]

Irish bouzouki

In den späten sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde die Bouzouki Griechenlands von irischen Musikern aus der Folkszene eingeführt, die sich die Wiederbelebung der traditionellen irischen Musik zum Ziel gesetzt hatten. John Pearse überließ Johnny Moynihan ein aus Griechenland mitgebrachtes Instrument und dieser setzte es nach anfänglichem Zögern zusammen mit Andy Irvine bei der Gruppe Sweeney´s men ein. Eine größere Bekanntheit erreichte das neu eingeführte Instrument als Irvine zusammen mit Donal Lunny in der sehr bekannten irischen Formation Planxty Duette mit zwei Bouzoukis oder der Kombination Bouzouki und Mandoline spielten. Begleitete man zunächst traditionelle und zeitgenössische irische Balladen und Volkslieder, verlagerte sich der Schwerpunkt nach und nach auf die akkordische Begleitung irischer Tanzmusik beim ceili´. Heute ist der etwas exotische Klang der irish bouzouki zu einem festen Bestandteil im Repertoire vieler Gruppen geworden.

Bei der Übernahme des griechischen Volksinstruments in die irische Musik wurde die Bouzouki auch von der Bauweise her modifiziert. Während das Vorbild aus dem Mittelmeerraum einen gerundeten Resonatorboden aus einzelnen Spänen besitzt, ist der Boden der irish bouzouki flach und wird aus 1 bis 3 Teilen zusammengesetzt. Die griechische Bouzouki zählt zu organologisch zu den Schalenhalslauten während das irische Pendant zu den Kastenhalslauten zu zählen ist. Das erste Instrument in dieser neuen Bauweise wurde wohl von dem Engländer Peter Abnett um 1970 in Zusammenarbeit mit dem oben erwähnten Donal Lunny entwickelt und gebaut. Wie das griechische Muster besitzt die irische Variante 4 doppelchörige Saiten, bei denen die beiden tiefer gestimmten Saitenpaare oktaviert sein können wie im links abgebildeten Instrument. Häufig anzutreffende Stimmungen sind GG dd aa d1d1 oder AA dd aa d1d1, seltener wie bei meinem Instrument Gg dd1 aa e1e1. Die letztere kommt den Violin- und Mandolinspielern, die auf die irish bouzouki umsteigen wollen entgegen. Allerdings hat das Instrument in den tieferen Lagen eine recht weite Mensur, so dass man die üblichen Fingersätze nicht so einfach übertragen kann. Die zuerst angeführte Stimmung hat sich weitgehend durchgesetzt, sie führt zu einem offenen Klang, da die Terz meist ausgelassen wird. Mit einem einfachen Griff kann man die Töne AA dd aa d1d1 erzeugen; dieser Akkord ist nicht auf Dur oder Moll festgelegt.

[607, Kap. Bouzouki][756]

Video irish bouzouki Donal Lunny [757]
Video irish bouzouki  Andy Irvine [758]
Video irish bouz. Lunny und Irvine [759]
Video irish. bouz. Planxty [760]

Bodhran

Eine bodhran ist eine einfellige Rahmentrommel mit einem Durchmesser von etwa 20 cm bis 50 cm, die hauptsächlich in irischen Volksmusikensembles gespielt wird. Ziege, Hirsch, Windhund, Esel und Pferd liefern die Felle, mit denen der Rahmen bespannt wird. Üblicherweise werden diese auf dem Holz der Trommel festgenagelt (siehe Beispiel). Das Instrument wird selten nur mit der Hand gespielt, meist benutzt man dazu einen Schlägel (siehe Bild rechts) von etwa 20 cm Länge aus Esche oder Hickoryholz. Dieser wird tipper oder cipin (kleiner Stock) genannt und hat an beiden Enden einen etwas größeren Durchmesser, manchmal wird in der Mitte eine Lederschlaufe zum Festhalten angebracht. Eine zweite Form besteht darin, dass nur ein Ende stärker ausgebildet ist und am anderen Ende sich eine Lederschlaufe befindet.

Das Wort bodhran scheint vom irischen Wort bodhar abzustammen, was soviel wie taub, stumpf, benommen oder dumpf bedeuten kann.  Das davon abgeleitete bodharai steht für einen hohlen Ton oder für den Klang der Trommel. Über einen langen Zeitraum wird die bodhran in Zusammenhang mit volkstümlichen Bräuchen verwendet und in festlichen Umzügen gespielt, wie z.B. beim St Stephen´s Day. Bis heute (siehe Beispiel links) wird das Instrument teilweise noch mit einem Holzkreuz unter dem Fell im Innern des Rahmens gebaut. Dieses stabilisiert einesteils den Rahmen und schützt ihn vor dem Verziehen, andererseits dient es als Haltvorrichtung beim Spiel im Gehen bei den Prozessionen. Dadurch wurde aber eine einhändige Spieltechnik vorgegeben, es gab keine Möglichkeit den Klang z.B. durch Dämpfen zu beeinflussen.

 

Mit dem Aufkommen der fleadhanna ceoil (Musikfestivals) in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Irland und dem allgemein wachsenden Interesse an traditioneller Musik war auch eine steigende Popularität der bodhran zu beobachten, die sich damit  aus der rituellen Tradition löste. Ihre Bekanntheit wuchs, als die von Sean O Riada begründete Konzertband Ceoltoiri Cualann die bodhran in den sechziger Jahren in ihr traditionelles irisches Repertoire einbaute. In den siebziger Jahren führte Johnny "Ringo" McDonagh neue Techniken ein, indem er mit der freien Hand das Fell von hinten manipulierte um verschiedene klangliche Effekte hervorzurufen. Seine Aufnahmen mit der Gruppe De Dannan waren wegweisend für die weitere Entwicklung des bodhran - Spiels, ebenso wie die von Tommy Hayes mit der Gruppe Stockton´s Wing. Ende des 20. Jahrhunderts verwendeten die meisten traditionellen irischen Formationen dieses Instrument in ihren Konzerten und sie entwickelten oft einen unverwechselbaren Stil in ihrer Performance.

Die bodhran wird heute im Sitzen gespielt und dabei auf den Oberschenkel aufgesetzt. Die rechte Hand führt den tipper (beater, stick), dessen variable Handhabung schon viele tonale Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Diese werden dann erheblich erweitert, wenn man mit der linken Hand die Innenseite des Fells touchiert und durch Druck und verschiedene Handpositionen z.B. die Tonhöhe variieren oder Dämpfungseffekte erzielen kann, wie in den beigefügten Videos beispielhaft gezeigt wird.

[607, Kap. Bodhran][761]

Video Bodhran solo [762]
Video Bodhran mit Gruppe [763]
Video Bodhran mit Gruppe [764]
Video De Dannan [765]

Schottland

Great Highland Bagpipe

Die Sackpfeife oder auch Dudelsack, englisch bagpipe, französisch cornemuse, ist ein Blasinstrument, das aus einer Spielpfeife und einer oder mehreren Bordunpfeifen besteht, die alle aus einem Sack mit Luft versorgt werden. Dieser wird unter den Arm des Spielers geklemmt und als Reservoir mit einem Anblasrohr gefüllt, das mit einem Lederstück als Rückschlagventil ausgestattet ist. Der Vorteil liegt darin, dass man einen gleichmäßigen Blasdruck und Luftstrom erzeugen kann. Sackpfeifen sind Bestandteil traditioneller Musikkulturen vieler Nationen, sie sind hauptsächlich  in Europa bis nach Asien und über Nordafrika  verbreitet.Vor allem in Großbritannien, Irland, der Bretagne, Nordwestspanien, Bulgarien und Tunesien hat sich der Dudelsack eine herausragende Stellung in der Volksmusik bewahren können, in Schottland ist die Great Highland Bagpipe das Nationalinstrument schlechthin. Die weite Verbreitung hat auch regional unterschiedliche Ausprägungen hervorgebracht. Diese Unterschiede liegen z.B. in der Konstruktion der Spielpfeifen: es gibt konisch gebohrte und zylindrisch gebohrte, die sich klanglich stark unterscheiden. Erstere besitzen generell  ein Doppelrohrblatt, letztere, sowie die Bordunpfeifen, verfügen über ein Einzelrohrblatt, aber es gibt auch Ausnahmen davon. Ferner ist die Anzahl der Bordunpfeifen und deren Stimmung unterschiedlich. Manche Instrumente haben doppelte Spielpfeifen und manche besitzen Klappen zur Erweiterung des Tonumfangs, z.B. die irische uilleann pipe. Der Luftsack wurde früher aus dem ganzen Fell eines Schafs oder einer Ziege hergestellt, wobei die haarige Seite nach innen gewendet war. Die Pfeifen wurden ursprünglich direkt in den Hals und Fußteil des Fells eingenäht. Heute werden meistens mehrere Holzsockel im Fell befestigt, in die man die Pfeifen leicht einstecken kann. Moderne Pfeifen werden aus Ebenholz, Cocus (brya ebenus) und Afrikanischem Schwarzholz (Grenadill, dalbergia melanoxylon) hergestellt, sie ersetzen das Holz des Buchsbaums und das Holz von Obstbäumen, die man früher verwendete. Die Enden der Instrumente und ihre Verbindungsteile wurden mit Hülsen und Klemmringen aus Elfenbein (vom Walross), Metall oder Knochen verstärkt.

In der Antike finden sich keine Hinweise oder Funde der Sackpfeife. Die historische Aufzeichnung beginnt im frühen Mittelalter. Das Wort musa für Sackpfeife erscheint zusammen mit tibiae und fistula als Bezeichnung für Flöten in der Epistula de armonica institutione verfasst von Regio von Prüm (842 - 915). Der Ausdruck estive ebenfalls als Bezeichnung der Sackpfeife erscheint in der mittelalterlichen Dichtung Frankreichs. Ein angelsächsisches Rätsel des 10. Jahrhunderts scheint sich auf einen Dudelsack zu beziehen. Adam de la Halle erwähnt eine Bordunpfeife in seinem Jeu de Robin et de Marion (1283) und eine solche ist auch aus dieser Zeit in England erhalten. Im frühen 14. Jahrhundert war die bagpipe auf den Britischen Inseln ein weit verbreitetes volkstümliches aber auch höfisches Instrument. Im 15. Jahrhundert erscheinen Bezeichnungen wie muse, musette, cornemuse, sacomuse, chevrette, ture - lure, loure und vèze für die Sackpfeife in Frankreich. Eine durchgängige Spieltradition der bagpipe ist in historischen Quellen in Lincolnshire (16. Jahrhundert) und Lancashire (18. Jahrhundert) nachgewiesen, im 18. und 19. Jahrhundert wird in Irland und Northumberland die bagpipe zu ihrer heutigen Form weiterentwickelt.

Die great highland bagpipe, schottisch - gälisch a´phiob mhor, war seit dem 16. Jahrhundert ein kriegerisches Instrument, mit dem man in die Schlacht zog. Sie wurde auf Grund ihres durchdringenden Tones auch in Friedenszeiten fast ausschließlich im Freien bei Umzügen und Beerdigungen gespielt. In Form und Aussehen ist die scottish bagpipe, wie sie auch genannt wird, weitgehend standardisiert. Sie besitzt drei Bordunpfeifen, zwei in Tenor und eine in Basslage, eine Spielpfeife und ein Anblasrohr. Dieses ist ziemlich lang und erlaubt eine günstige Spielhaltung, nämlich den Windsack unter dem Arm fest einzuklemmen und gleichzeitig den Kopf aufrecht zu halten. Die Bordunpfeifen mit einer Länge um die 40 cm streben fächerartig auseinander und werden mit geschmückten Kordeln auseinandergehalten während der etwa 80 cm lange Bassbordun auf der Schulter des Spielers liegt. Der Ton der beiden Tenorbordune liegt eine Oktave unter dem Ton des sechsten Fingerlochs (meist a1) und der Ton des Bassborduns wiederum eine Oktave tiefer als der der Tenorpfeifen. Die Spielpfeife besitzt eine weite, konische Bohrung mit 8 Grifflöchern und zwei weitere Bohrungen, die nicht abgedeckt werden. Während man früher oft Cocus und Grenadill zur Herstellung der Pfeifen verwendete (siehe oben) weicht man heute auf feuchtigkeitsunempfindlichere Kunststoffe wie Polypenco aus. Auch bei der Anfertigung des Windsacks wird an Stelle des Leders das pflegeleichtere, synthetische Gore - Tex verwendet. Verstärkungs- und Klemmringe aus Elfenbein und Knochen werden durch Imitate aus Kunststoff und Metall ersetzt. Auch die Einzelrohrblätter aus Schilfrohr in den Bordunen mit ihrer eingschnittenen Zunge sind sehr empfindlich und werden ebenfalls aus Kunststoff oder Metall  hergestellt. Das Doppelrohrblatt der Spielpfeife aus Pfahlrohr wird meist noch wie früher benutzt. Zusammen mit der konischen, weiten Bohrung ist es für den obertonreichen, durchdringenden Klang verantwortlich.

Die Tonskala der great highland bagpipe setzt sich aus den Tönen g1 a1 h1 cis2 d2 e2 fis2 g2 a2  zusammen, allerdings etwas abweichend von der üblichen temperierten Stimmung, so dass es schwierig ist, mit solchen Instrumenten zusammen zu spielen. Eine weitere Schwierigkeit beim Spiel der highland bagpipe  besteht darin, dass  man eine Tonleiter nicht durch sukzessives Öffnen der Löcher erzielen kann. Wenn man mittlere und hohe Töne spielen will, müssen einige der Löcher für tiefere Töne geschlossen gehalten werden. Obwohl theoretisch durch teilweises Schließen zusätzliche Halbtöne erzeugt werden könnten ist in der Praxis das gesamte traditionelle Repertoire auf die oben erwähnten neun Töne begrenzt. Oft akzeptiert man bei der Übernahme von Musik aus anderen Quellen unübliche Reibungen, z.B. ein g an Stelle eines gis.

Die highland pipe wird in Schottland oft solistisch eingesetzt, dabei kommen die instrumentenspezifischen grace notes besonders zur Geltung. Man versteht darunter sehr kurze Töne zwischen den einzelnen Tönen der Hauptmelodie. Daneben haben sich  pipe bands etabliert, das sind Spielmannszüge, die nach militärischem Vorbild nur mit bagpipes und Trommeln besetzt sind. Landestypisch mit dem Schottenrock kilt gekleidet, sind sie Teilnehmer von Aufmärschen und  tattoos, einer Art militärischem Zapfenstreich. Bei großen Veranstaltungen dieser Art, wie dem Edinburgh Military Tattoo, nehmen Hunderte  von bagpipers und drummers teil. Sie spielen  zusammen mit marching bands, Kapellen, die mit herkömmlichen Blechblasinstrumenten besetzt sind.[607, Kap. Bagpipe][766]

Um eine highland bagpipe zu spielen ist ziemlich viel Lungenkraft notwendig. Um Stücke ohne großen Kraftaufwand einzuüben benutzt man eine practice chanter (Übungsflöte), wie nebenstehend gezeigt. Sie hat eine Miniwindkapsel und die gleiche Grifflochanordnung wie die eigentliche Spielflöte der bagpipe.

England

Strohvioline

Die Strohvioline ist nach ihrem Erfinder, dem deutschstämmigen Elektroingenieur Johannes Matthias Augustus Stroh (1828 - 1914) benannt, der ein solches Instrument 1899 in London als UK - Patent GB 9418 anmeldete. Diese Violinart wird auch als Hornvioline, Strohgeige, Phonogeige, Stroviol, Violinophon, Violintrompete, Phonofiedel oder Resonatorvioline bezeichnet. Ausgangspunkt für die Entwicklung eines solchen Instruments war die Tatsache, dass in dieser Zeit bei der Tonaufzeichnung für Grammophonwalzen mit Hilfe von Schalltrichtern die Violine und andere Saiteninstrumente im Nachteil gegenüber den Blechblasinstrumenten waren. Diese konnten den Schall gezielt zur Aufnahmevorrichtung hin leiten, während die Schallwellen einer Violine sich im Raum diffuser verteilten und schlecht von den Aufnahmetrichtern erfasst wurden. Stroh löste dieses Problem indem er vollständig auf den herkömmlichen Resonator der Violine als Verstärkungsteil verzichtete. Stattdessen setzte er den Steg auf eine Hebelvorrichtung, die die Saitenschwingung aufnahm, verstärkte und mit einer Stange auf eine Metalldose übertrug, deren Oberteil als schwingungsfähige  Membran ausgebildet war. Diese erzeugte dann ihrerseits in der Dose entsprechende Luftschwingungen, die durch zwei unterschiedlich große Metalltrichter aufgenommen  wurden, die an der Unterseite der Dose austraten. Der große, konische Trichter hatte die Funktion eines Verstärkers und strahlte den Schall auch gezielt in die gewünschte Richtung ab. Der kleine Trichter diente als Monitor für den Spieler, um sich selbst kontrollieren zu können. In der Praxis erreichte man mit dieser Konstruktion einen erheblichen Verstärkungsfaktor und die Strohvioline konnte sich in dieser Form in der Aufnahmetechnik durchsetzen, weil man nun ausgewogenere Tonaufnahmen erzielen konnte.

Das Instrument war auf Grund seiner Lautstärke auch geeignet für das Spiel in größeren Räumlichkeiten und Sälen, manche Tangoorchester in Buenos Aires setzten es in den zwanziger Jahren ein. Das von Stroh entwiclelte System wurde seltener auch auf andere Streich - und Zupfinstrumente übertragen, wie z.B auf Cello, Ukulele, Mandoline, Gitarre und Kontrabass. Der Erfindung war allerdings kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Mit dem Aufkommen elektrischer Aufnahmesysteme und Mikrofone wurde die Strohgeige rasch überflüssig. Da sie auch sehr teuer verkauft wurde ( etwa vierfacher Preis einer herkömmlichen Geige), diente sie fast nur noch als exotisches Requisit in einigen Gruppen der U - Musik und wurde ganz selten in der E -Musik wie bei Kagels "1898" eingesetzt. Nur in Rumänien in der Region Bihor spielt sie eine bedeutende Rolle in der Volksmusik.

Higheghe

Hier bezeichnet man die Strohvioline als higheghe oder als vioara cu goarna ( Violine mit Horn). Während Bela Bartok in dieser Gegend bei seinen Feldrecherchen 1909 - 1917 und auch der Musikforscher Traian Marza bei seinen Untersuchungen 1961 - 1973 kein einziges Musikstück für dieses Instrument aufzeichnen konnten, notierte 2005 der Musikethnologe Mircea Campeanu 260 Tanzmelodien, von denen mehr als die Hälfte auf der higheghe gespielt wurde. Sie scheint in sehr kurzer Zeit zum wichtigsten Instrument in der Volksmusik von Bihor geworden zu sein; vornehmlich gilt dies für die Tanzmusik, die dort nicht nur bei familiären Festen eine große Tradition besitzt.

Einen großen Anteil an diesem überraschenden Erfolg scheint der 2012 verstorbene Dorel Codoban zu haben, ein Musiker, der bei einem Auftritt 1965 in Serbien in einem Laden eine Strohvioline hängen sah. Er baute sie zu Hause nach und verwendete dazu den Trichter einer Trompete, die in der kommunistischen Jugendorganisation Rumäniens gespielt wurde. Ein altes Grammophonteil, das ihm ein Nachbar überließ, diente als Verstärkungseinheit. Seither hat er einige hundert Exemplare von higheghe gebaut und damit entscheidend zur Popularität dieser Violine beigetragen. Wie in dem Bild links ersichtlich ist besitzt die rumänische Variante von ihrer Entstehungsgeschichte her einen viel schlankeren Trichter als ihr Vorbild. Er ist immer auch fest mit dem Korpus der Violine verbunden, gleichzeitig fehlt der Monitortrichter.

Phonofiddle

Die Idee von August Stroh wurde im Laufe der Zeit oft als Grundlage für den Bau ähnlicher Instrumente verwendet. Der Markneukirchener Ingenieur Willy Tiebel z. B. entwarf zusammen mit dem Geigenbauer August Glaesel um 1925 ein Instrumet, das als Tiebel - Violine oder als Tiebel-Radio-System-Violine vermarktet wurde. Vorher schon, am Anfang des Jahrhunderts baute George Evans in England Modelle mit geradem und gebogenem Trichter sowie einsaitige Instrumente, die er als one string fiddle oder auch jap fiddle verkaufte. Jap ist dabei als Abkürzung für japanese fiddle zu verstehen, weil sie angeblich einem japanischen Instrument ähnlich sein sollte. Artur Howson vertrieb ebenfalls in England ab 1906 ein einsaitiges Instrument mit dem Stroh´schen System unter dem Handelsnamen phonofiddle (siehe Bild rechts). Die beiden ergonomisch geformten metallischen Halter wurden zwischen die Beine geklemmt und das Instrument in aufrechter Stellung mit dem Bogen gestrichen. Bei diesen Instrumenten bestand die Membran meistens aus dem preiswerteren Glimmerschiefer. Auf Grund der einfachen Spielweise scheint es vor allem bei englischen Straßenmusikern sehr beliebt gewesen zu sein.

Auch in Indien gibt es eine Version der Strohgeige, die auf der Streichlaute esraj basiert, an die ein Messingtrichter angebaut ist. Man nennt sie tar shenai, wobei tar eine Bezeichnung allgemein für eine Laute ist und shenai eine Oboenart benennt.(siehe Kap.Indien/Afghanistan) Der Name scheint sich auf den Klang des Instruments zu beziehen, also auf eine gestrichene Laute, die wie ein Blasinstrument klingen soll.


[607, Kap. Stroh Violin] [770][771][772]