Teilsammlung Fritz Degel: Amerika Nord
Die im heutigen Nordamerika bestehende Volksmusikkultur ist ein Spiegelbild der multiethnischen Gesellschaft der Vereinigten Staaten. Während aber kaum Spuren der indianischen Kultur in dieser Musik zu finden sind, kamen Einflüsse sowohl aus bestimmten Teilen Westafrikas durch die schwarzen Sklaven als auch aus dem benachbarten Mexiko sowie durch die verschiedenen Wellen von Einwanderern aus Europa. Hier sind zunächst vor allem Länder wie Irland und Schottland als Herkunftsländer zu erwähnen, später kamen die Auswanderer aber auch aus Italien, Deutschland oder Osteuropa, hier vor allem die Juden. Bis zum amerikanischen Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert erhielten sich die mitgebrachten europäischen Musiktraditionen weitgehend isoliert und in einer lokalen Selbständigkeit. Nach der Durchmischung der Bevölkerung im Verlaufe des Bürgerkriegs und in den nachfolgenden Jahren des amerikanischen Erwachens in Kunst, Literatur und Musik wurden auch die Grundlagen gelegt für genuin amerikanische Musikstile wie Jazz, Blues und Country. Daraus wiederum entwickelten sich andere Stile wie z.B. Rhythm and Blues, Rock and Roll oder Hip Hop, um nur einige zu nennen.
Während sich im 19. Jahrhundert die anspruchsvolle Kunstmusik hauptsächlich an die höhere Klasse wandte und sich an europäischen Vorbildern orientierte, gab es daneben eine insbesondere die Mittelklasse ansprechende naivere, volkstümliche Musik, die in den amerikanisch-demokratischen Strukturen ihre Wurzeln hatte. Dazu zählten kirchliche Volks- und Evangelienlieder (Folk and Gospel Hymnody), Märsche, Operetten und Tanzmusik. Negrospirituals entstanden als Folge eines Assimilierungsprozesses in dem das "weiße Spiritual" der traditionellen Hymnodien durch die Afroamerikaner in ihre eigene musikalische Sprache umgesetzt wurde. In den "Negro minstrel shows" wurde eine im 19. Jahrhundert einmalige Form des volkstümlichen Musiktheaters geschaffen. Diese halbdramatische Mischung aus Liedern (meist im Dialekt), Tänzen, improvisierten Reden und parodistischen Sketchen wurde von weißen Unterhaltungskünstlern mit schwarz maskierten Gesichtern aufgeführt. Das Banjo und die Geige mit Begleitung von Tamburin und Knochenkastagnetten waren dabei die bevorzugten Musikinstrumente. Die "Banjo-jig", eine stark synkopisierte, feurige Tanzmelodie gehörte zu den originellsten Teilen dieser shows. Im späteren 19. Jahrhundert entwickelte sich im Süden und Südwesten der Ragtime, der in einen der wichtigsten Instrumentalstile des frühen Jazz mündete. Auch wurden in dieser Zeit die Grundlagen von Blues, Gospel und Country gelegt, aus denen dann eine Vielzahl von Stilen erwuchs, die die populäre Musik nicht nur von Nordamerika entscheidend geprägt haben. [490]
Musikinstrumente
Zur Zeit der Entdeckung lebten nördlich von Mexiko kaum eine Million Indianer verteilt auf etwa 1000 Stämme und mit ebenso vielen Sprachen in 70 Sprachfamilien. Es gab gravierende Unterschiede zwischen den Kulturen der verschiedenen Gruppen, die von ganz primitiven Stufen in den Wüsten Nevadas und Utahs bis hin zu weit entwickelten auf dem Niveau orientalischer Hochkulturen reichten. Trotz aller Verschiedenheit lassen sich aber Grundzüge feststellen, die für eine Vielzahl von Stämmen Gültigkeit besitzen. Musik spielte bei den meisten Indianerstämmen eine große Rolle, vor allem diente sie den Zwecken des Kultes in der Form des zeremoniellen Liedes. Aber auch in den Heilungszeremonien, als Liebeszauber, in Kriegs- und Gesellschaftstanz findet sie ihren Platz. Wettspiele werden musikalisch begleitet, gesellschaftliche Treffen, Kinderlieder und Lieder zur Arbeit ebenso.
Der größte Teil des verwendeten Instrumentariums gehört zur Gruppe der Schlaginstrumente, dazu zählen tamburinartige Trommeln sowie paukenartige Trommeln, bei denen das Fell über einen Schallkörper aus gebranntem Ton gespannt war. Fast immer werden zum Spielen Schlägel verwenden, die Spielweise, mit den Händen die Trommeln zu schlagen, war wenig verbreitet. Am weitesten verbreitet waren Rasseln, die aus Hirschhufen gefertigt oder aus mit Steinen gefüllten Kürbissen und Ledersäckchen bestanden. Hölzerne Schraper wurden manchmal in Tierform geschnitzt und mit einem Schallkörper versehen. Melodieinstrumente sind wenig vertreten, bekannt ist ein blockflötenartiges Instrument, das als einziges als Soloinstrument (für Liebeslieder) Verwendung fand. Vereinzelte Beispiele für primitive Oboen, Trompeten und Fiedeln sind bekannt, z.B. bei den Apachen die einsaitige trii``edo`a`tl (Holz, das singt). Auch scheint der Musikbogen bei einigen Stämmen des Südwestens bekannt gewesen zu sein.
Während von den indigenen Instrumenten des Kontinents keines eine größere Rolle in der Musik spielte, brachten die verschiedenen Einwanderungsgruppen aus Europa ein breites Spektrum an Musikinstrumenten aus ihren jeweiligen Herkunftsländern mit. Einige, wie z.B. das Hackbrett (hammered dulcimer) und das Scheitholt (mountain dulcimer), haben in der Abgeschiedenheit der Appalachen sich länger in der Musizierpraxis erhalten als in ihren Herkunftsländern. Die Mandoline wird das dominierende Instrument in manchen Stilen wie dem Bluegrass, allerdings in amerikanisierten Formen wie z.B. der F-style Form der Firma Gibson. Die Gitarre wird zu einem wichtigen Instrument wie z.B. in akustischer Form im Blues und in ihrer Weiterentwicklung als slide-, steel- und bottleneck-guitar. Das Cavacchino wurde von den Portugiesen nach Hawaii gebracht und als Ukulele adaptiert und weithin populär. Das Akkordeon findet sich hauptsächlich im Süden in ehemals französischen Siedlungsgebieten in Musikstilen wie Cajun und Zydeco. Von Anfang an war die Geige als fiddle in der Musikausübung der iroschottischen Siedler ein wichtiger Bestandteil.
Die Nachfahren der Sklaven aus Westafrika, die ab 1619 in die Südstatten verschleppt worden waren, haben einen bedeutenden Einfluss auf die musikalische Entwicklung in den Vereinigten Staaten ausgeübt. Das Banjo, als typisches Instrument der amerikanischen Volksmusik, entwickelte sich sehr wahrscheinlich aus einer Ngoni-Art (einer Familie westafrikanischer Lauten), die von schwarzen Sklaven importiert oder nachgebaut worden war, zu einem genuin amerikanischen Instrument. Viele Musikstile entstanden aus der Verschmelzung schwarzafrikanischer und europäischer Elemente wie z.B. der Jazz mit europäischer Harmonik, europäisch-afrikanischer Melodik und afrikanischer Rhythmik und Artikulation. [491]
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur Verbreitung der Schallplatte als Tonkonserve entwickelten hauptsächlich aus dem deutschsprachigen Raum stammende Instrumentenbauer wie Menzenhauer, Schmidt und Marx eine Reihe von innovativen neuen Instrumenten, um eine breite Masse von Interessenten im aufstrebenden amerikanischen Markt anzusprechen. Es handelte sich dabei um Instrumente, die es auch dem musikalisch unbedarften Laien erlauben sollten, ohne große Vorkenntnisse Musik produzieren zu können. So entstanden häufig Zwitter, bei denen ein Melodieinstrument und ein Akkordinstrument zu einem einzigen Instrument kombiniert wurden, wie z.B. die Mandolinzither. Sie besaß eine doppelchörige Reihe von Melodiesaiten, die ähnlich wie eine Mandoline angeschagen wurden, und auf der anderen Seite eine Akkordzither, deren festgelegte Akkorde zur Begleitung der Melodie dienten.
Five string Banjo
Das Banjo, das heute als typisch amerikanisches Musikinstrument angesehen wird, geht zweifelsfrei auf die schwarzen Sklaven zurück, die seit Beginn der 1720er Jahre zu Hunderttausenden nach Süd-, Mittel- und Nordamerika verschleppt worden waren. Sie stammten größtenteils aus verschiedenen Regionen Westafrikas, in denen eine Vielzahl von Spießlauten bekannt war. Dabei handelte es sich um Musikinstrumente, die hauptsächlich in oval - länglicher oder in kreisförmig - runder Form vorkamen und noch heute in großer Zahl vorkommen (siehe Kapitel Afrika). Bis etwa 2000 hielt man es am wahrscheinlichsten, als Vorläufer das ngoni der Bamana in Mali oder das xalam der Wolof anzusehen, Binnenspießlauten aus dem Umfeld der griots mit länglichem Holzkorpus. Heute tendiert man eher dazu, Lauten mit einem durchgehenden, runden Spieß, einem runden Kalebassenresonator mit Fellbespannung und einem verschiebbaren, zweifüßigen Steg, der nur von den gespannten Saiten gehalten wird, als Ursprung des Banjo anzusehen. Die drei Saiten, von denen eine verkürzt als Daumensaite gespielt wird, werden mit ledernen Spannringen am Halsstab befestigt. Solche Instrumente kommen im senegambischen Raum öfter vor, z.B. das akonting der Diola, das buchundo der Manjago oder das busunde der Papel, alle aus Senegal, Gambia und Guinea-Bissau. Nicht nur der physische Aufbau sondern auch die Spielweise mit Daumen und meist Mittelfinger (als frailing oder clawhammer bezeichnet) sind mit dem frühen amerikanischen Banjo identisch. [492] Diese primitiven ersten amerikanischen gourd - banjos tauchen zum ersten Mal in der Karibik bei schwarzen Sklaven auf und bestanden aus einer abgeschnittenen Kalebasse, einem darübergezogenen Fell (oft von Ziege oder Katze) und einem durchgesteckten, abgeflachten Stab als bundlosem Griffbrett. Für die drei bis vier Saiten benutzte man Pferdehaare, Darm, textile Schnüre oder dünne Hanfseile. Für diese Instrumente wurden Bezeichnungen wie banza, banjar, bania oder bangoe verwendet, aus denen sich dann das heute gebräuchliche Wort entwickelte. Diese Banjos wurden bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts nur von den schwarzen Sklaven und ihren Nachfahren verwendet und die Spielweise mündlich von Generation zu Generation tradiert.
Mit dreizehn Jahren lernte Joel Walker Sweeny als erster bekannter Weißer auf der Farm seines Vaters von schwarzen Arbeitern, die dort beschäftigt waren, das Spiel auf dem Banjo kennen. In den frühen 1830er Jahren zog er durch Zentralvirginia, teils als Mitglied eines Zirkusses und machte das Spiel auch für die Weißen interessant. Bald verbreitete sich die Beliebtheit des Instruments, vor allem etwa ab 1845 durch die Minstrelshows (siehe Einleitung), wo es das wichtigste Instrument darstellte und über ein halbes Jahrhundert in zahllosen Bands zu finden war. Der Goldrausch in Kalifornien 1849, die Unterhaltungskapellen auf den Steamboats des Mississippi und in New Orleans sowie der Bürgerkrieg in den 60er Jahren mit der Abschaffung der Sklaverei führten zu einer massenhaften Verbreitung des Instruments, so dass in den 80er und 90er Jahren (vor allem an Universitäten und Colleges) eine Vielzahl von Banjoorchestern entstand. Diese Orchester bestanden meist aus dem banjeaurine als Melodieinstrument, einem Five string -Instrument mit kurzem Hals und einer Quarte höher gestimmt als das "normale" Banjo. Noch höher (eine Oktave) als dieses war das piccolo-Banjo gestimmt. Viele Orchester verfügten auch über ein cello - Banjo im Bassbereich mit einem Durchmesser von 15 - 16 inches. Bei Bedarf wurde auch die Gitarre und die Mandoline mit einbezogen, ab den 90er Jahren auch das inzwischen patentierte mandolinbanjo. [493]
Das heutige Five-string Banjo ist in vielerlei Hinsicht gegenüber seinen Frühformen weiterentwickelt und verbessert worden. Oft waren Instrumente ohne Boden gebaut worden, die heute praktisch nur noch im oldtime - jazz verwendet werden. Es wurde mehr und mehr ein kompletter hölzerner Resonator eingesetzt, der den Schall besser zum Publikum hin reflektierte. Um 1860 setzte sich ein neuer, von der Gitarre abgeleiteter Stil durch, das fingerpicking oder der classic banjo style, bei dem die Saiten (aus Darm) gezupft wurden. Man verwendete dazu Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. Daraus entwickelte sich die dann vor allem durch Earl Scruggs im Bluegrass perfektionierte Technik mit aufgesteckten Fingerpicks. Die alte clawhammer - Technik blieb aber weiter im hillbilly- und oldtime - Stil erhalten. Um dieselbe Zeit wurden auch Bünde aus Metall eingeführt. Die "Daumensaite" wurde zu einer verkürzten chanterelle, die in der Höhe des fünften Bundes am Hals befestigt wurde. Sie ist, ähnlich wie bei der Ukulele, höher gestimmt als alle anderen Saiten. Übliche Stimmungen sind heute g D G c d, g C G c d oder g D G H d im Bluegrass. Eine wichtige Komponente für die Tongebung wurde auch der unter dem Fell liegende gegossene metallene Tonring sowie die Verwendung von Stahlsaiten. Weniger empfindliche Kunststoffe haben heute die anfälligeren Naturfelle als Decke ersetzt.[494]
Video Five string Banjo [495]
Mandolinbanjos
Der trockene Klang des Banjos, hauptsächlich durch die Felldecke erzeugt, wurde schon im ausgehenden 19. Jahrhundert auf andere Instrumente übertragen. Als Beispiele seien hier die Ukulele (banjolele), die Mandoline und die Gitarre erwähnt.
August Pollmann ließ sich in dieser Zeit in New York ein Mandolinbanjo patentieren. Es handelte sich dabei um ein Instrument, bei dem der Hals eines Fivestring - Banjos an den Korpus einer Flachmandoline angesetzt war. Gespielt wurde dieses Instrument im Stile eines Banjos, der Klang soll allerdings viel weicher gewesen sein. Die heutigen Mandolinbanjos dagegen sind gewissermaßen umgekehrt aufgebaut. Bei ihnen werden Hals, Griffbrett und Kopf einer Mandoline an einen fellbespannten Banjokorpus angesetzt, so dass der Klang dem Five string Banjo nahe kommt.
Das open back-Instrument besitzt, wie der Name schon sagt, keine Rückwand. Der Korpus besteht praktisch aus einem Hartholzring, an dem die Mechaniken zum Spannen des Fells angebracht sind. Diese offene Bauart führt dazu, dass der Klang viel obertonärmer ist. Solche Open-back-Instrumente (auch als Five string) werden häufig in Oldtime-Stilen wegen ihres trockenen Sounds verwendet.
Mandolinbanjos mit geschlossenem Schallkörper sind häufiger anzutreffen. Ihr Klang ist obertonreicher und voller. Kurz nach ihrer Einführung in Amerika erfreuten sie sich um 1910 vor allem in Tanzkapellen einiger Beliebtheit. Das abgebildete Instrument scheint nach der Form des Wirbelkastens in Europa angefertigt zu sein. Der Schallkörper besteht aus Holz.
Das nebenstehende Mandolinbanjo ist wesentlich kleiner gebaut und erscheint wie ein Kinderinstrument. Ich habe es in Anlehnung an das Five string Banjo (siehe oben) als Piccolo - Banjo bezeichnet, ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es sich nicht lediglich um eine verkleinerte Bauart, z.B zu Reisezwecken, handelt. Auffällig ist die Bauweise, bei der das Fell mit metallenen Verbindern gewissermaßen auf einen hölzernen, runden Topf als Resonator aufgesetzt wird.
Die Doppelsaiten der Mandoline sind für das Akkordspiel oftmals hinderlich. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Instrumente in Umlauf gebracht, bei denen man die Bespannung auf Einzelsaiten reduzierte. Diese Instrumente bezeichnete man dann als banjolin.
Auch die verschiedenen cumbus - Varianten, die von Zeynel Abidin Anfang des 20. Jahrhunderts in der Türkei entwickelt worden waren, gehen auf das Banjo zurück.
Viersaitige und sechssaitige Banjos
Viersaitige Banjoarten tauchten vor allem in den Anfängen des Jazz in der Musikszene auf. Als man begann, das Instrument akkordisch als Begleitung vor allem im Dixieland einzusetzen, war die chanterelle weitgehend überflüssig geworden und wurde folgerichtig weggelassen. So entstand zunächst das plectrumbanjo, das bis zu 22 Bünde aufweisen konnte, und meist in c g h d1 gestimmt war. Eine Variante davon war das tenorbanjo, welches überwiegend im Jazz verwendet wurde. Es verfügt nur über 17 bis 19 Bünde und die Stimmung wird häufig mit c g d1 a1 angegeben. In der irischen Musik wurde dieses Banjo mehr als Melodieinstrument benutzt und G d a e1 gestimmt. Diese Stimmung liegt eine Oktave tiefer als die der Geige. Auch bei diesem rechts abgebildeten Instrument ist der Metallrahmen mit dem Fell mit Hilfe von Verbindern aus Metall auf einen "Holztopf" als Resonator aufgesetzt.
Das links abgebildete Gitarrenbanjo kombiniert die 6 Saiten, das Griffbrett und die Stimmung einer Gitarre mit dem Resonator eines Banjos.
Video Gitarrenbanjo [498]
Video 2 Tenorbanjos [501]
Video Tenorbanjo [499]
Video Tenorbanjo irisch [5oo]
Fretless zithers
Im ausgehenden 19. Jahrhundert bis etwa zum Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden vor allem in Deutschland und in den USA eine Vielzahl von griffbrettlosen Zithern. Gregg Miner bezeichnet sie auf seiner Webseite zusammen mit anderen Autoren als fretless zithers. Die Ursache für die massenhafte Produktion solcher Instrumente liegt wohl in den kleinbürgerlichen und proletarischen Demokratisierungstendenzen des Musiklebens in dieser Zeit begründet. Man wollte "Volksinstrumente" für den musikalischen Laien schaffen, einfach, preiswert, oft schön verziert durch Aufklebebilder und Drechselarbeiten sowie problemlos zu erlernen (möglichst auch ohne Notenkenntnisse). Wie die Verkaufszahlen in Deutschland und in den USA belegen, bestand ein riesiges Interesse an den unzähligen Neuschöpfungen und Erfindungen ab etwa der 1980er Jahre. Allein in Nordamerika sind damals über 100 neue Instrumentennamen aufgetaucht, manche allerdings bezeichnen ähnliche oder gleiche Modelle. Etwa 72 verschiedene konkurrierende Manufakturen und Fabriken produzierten diese Neuheiten zu Tausenden und teilten sich den Markt. Es waren überwiegend Instrumente, die für die damals sehr populäre Hausmusik gedacht waren. Die Tonkonserven, sowie Rundfunk und Fernsehen waren noch nicht erfunden oder hatten sich noch nicht in der breiten Öffentlichkeit durchgesetzt. Oft sollten herkömmliche Instrumente imitiert werden, Begriffe wie Konzertviolinharfe oder Gitarrzither deuten darauf hin. Die mit den klangvollen Namen in den Reklameschriften assoziierten Klangvorstellungen wurden allerdings in der Praxis fast nie erreicht. Die Spielweise sollte leicht selbst zu erlernen sein, viele Instrumente wurden deshalb zusammen mit einer Spielanleitung verkauft. Vielfach wurde ein eigenes, speziell entwickeltes, einfaches Notationssystem verwendet, welches meistens auf Unterlegblättern festgehalten war. Theodor Meinhold hatte sich dieses System 1891 patentieren lassen. Viele Instrumente waren so beschaffen, dass die rechte Hand die Melodie spielte, während die linke eine Reihe fest gestimmter Akkorde zur Begleitung beisteuerte. So entstanden eine ganze Reihe von Akkordzithern, von denen ich die in meiner Sammlung enthaltenen und in Nordamerika entstandenen im folgenden vorstellen möchte. Die Konzertzithern sowie einige mehr in Europa verbreitete griffbrettlose Zithern werde ich im Kapitel "Europa - Mitte" beschreiben. [502][503]
Gitarrzither
1894 wurde dem Berliner Friedrich Menzenhauer eine "Gitarr - Zither" patentiert. Diese wurde in Berlin aber auch in New Jersey zusammen mit der Firma Oscar Schmidt (Menzenhauer & Schmidt) in Massen produziert.
Aber auch im Vogtland um Markneukirchen wurden nach Angaben von 1910 täglich 1200 Exemplare hergestellt. Die Bezeichnungen für dieses Instrument waren sehr unterschiedlich und oft verwirrend: Konzert - Gitarrenzither, Salonharfe, Konzert - Salonharfe, Phonoharp, Pianoharp, Mandolin - Gitarrzither (bei Doppelbespannung) oder Mandolinzither. Fest steht aber, dass es das am meisten verkaufte Akkordzithermodell gewesen ist.
Bei der Gitarrzither ist eine deutliche Gruppierung in zwei Teilen zu beobachten. Rechts liegen die Melodiesaiten und links die Begleitsaiten. Die Melodiesaiten, einfach oder verdoppelt, sind meistens chromatisch angeordnet und umfassen normalerweise zwei, seltener zweieinhalb bis drei Oktaven. Der tiefste Ton ist links, der höchste rechts. Die Begleitsaiten sind in Gruppen von vier bis sieben Saiten in Akkorden angeordnet. Die dick umsponnene Basssaite des Akkords ist oft etwas abgesetzt, um das getrennte Spiel zwischen Bass und übrigen Akkordtönen zuu erleichtern. Üblich waren fünf und sechs - akkordige Instrumente, es gab aber auch solche mit bis zu zwölf Akkorden. Beim Spiel wurde das Blatt mit den Unterlegnoten unter die Melodiesaiten gelegt. Der Spieler folgte nun der vorgeschriebenen Zickzacklinie und zupfte an der angezeigten Stelle mit einem Zitherring oder einem Plektrum den entsprechenden Ton. Zusätzlich zur Melodie war die Nummer des anzuschlagenden Akkords vermerkt, der mit der linken Hand ebenfalls mit einem Zitherring angerissen wurde. Auf diese Weise ließen sich leicht einfache Lieder aber auch bekannte Melodien aus Schlagern, Tänzen, Opern, Operetten und klassischer Musik spielen.
Video Gitarrzither [504]
Video Mandolinzither [506]
Video Mandolinzither klassisch [515]
Bei der rechts abgebildeten chartola und dem abgebildeten Instrument, das der Verkäufer als american harp zither bezeichnet hat, handelt es sich um Weiterentwicklungen der einfachen Gitarrzither.
Das entscheidende Merkmal der chartola sind die über den vier Akkorden angebrachten Metallfedern. Hebt man sie leicht an, so schlagen sie auf den jeweiligen Akkord und bringen diesen zum Klingen. Ansonsten handelt es sich um eine gewöhnliche Mandolinzither, deren Melodiesaiten mit einem Plektrum oder einem Zitherring angerissen werden.
Das rechts abgebildete Instrument gleicht in seinem Aufbau einer Sonora Klavierzither, wie sie vor allem in Deutschland gebaut wurde. Diese Form wird wegen der klavierähnlichen schrägen Bespannung der Akkordsaiten so bezeichnet. Insgesamt besitzt das Instrument drei Saitenebenen, eine für die Melodiesaiten und zwei Ebenen für je vier Akkorde. Diese Bauart hat mehrere Vorteile. Einmal erreicht man durch den geringen Abstand das Mitschwingen anderer Saiten. Dadurch erhöht sich der Obertonanteil und damit ergibt sich auch ein größeres Klangvolumen. Durch die Überlagerung der Saiten wird das Instrument insgesamt handlicher und kleiner und lässt sich leichter bespielen.
Video Chartola [505]
Streichzithern
Bei diesen beiden Arten von Streichzithern zeigt sich die ganze begriffliche Wirrnis, die bei den frettless zithers um die Jahrhundertwende bis weit ins 20. Jahrhundert herrschte. Gleiche Instrumente wurden mit unterschiedlichen Namen belegt und von unterschiedlichen Herstellern angeboten. Auch die Urheberschaft ist oftmals schwer festzustellen.
Beim ukelin bzw. violinuke werden verschiedene Personen benannt, die zwischen 1923 und 1926 ein Patent dafür angemeldet haben. John Large soll dies 1923 getan haben und ebenso Paul Richter 1924. Dessen Patent wurde aber früher anerkannt und auch ein Walter Schmidt meldete 1925 ein sehr ähnliches Patent an. Fest steht, dass die Phonoharp Company, die mit der Oscar Schmidt International Inc. fusionierte, ab 1926 Ukelins baute.
Andererseits verkaufte Henry Charles Marx mit seiner Marxochime Colony ein vergleichbares Instrument, das er violin - uke nannte. Sein Design soll bald kopiert und von der International Music Company unter der Bezeichnung ukelin verkauft worden sein. Beide Bezeichnungen gehen auf die Violine und auf die Ukulele zurück, deren Namen man verkürzte.
Dieses Instrument besitzt 16 Melodiesaiten und 16 Begleitsaiten, die in vier Akkorden zu je vier Saiten aufgeteilt sind. Die Basssaite ist dabei wesentlich dicker umsponnen als die drei dünneren restlichen Akkordsaiten. Das Instrument liegt beim Spielen meist flach auf dem Tisch vor dem Spieler, der mit der rechten Hand mit Hilfe eines ca. 50 - 55 cm langen Bogens die Melodiesaiten streicht. Diese sind nicht chromatisch geordnet und sind in C-Dur gestimmt, so dass die Möglichkeiten des Instruments stark beschnitten waren. Meist waren nur einfache Melodien zu spielen. Die Saiten waren nummeriert und der Spieler folgte den in den mitgelieferten Notenblättern aufgeführten Zahlen. Dazu wurden die vier Akkorde als Begleitung mit dem Nagel der linken Hand oder einem Plektrum angerissen. Diese Instrumente wurden bis 1964 bei Oscar Schmidt und bis 1972 von Marx hergestellt.
Auch das unten abgebildete Instrument, das hauptsächlich von Marx in New Troy, Michigan gebaut wurde, scheint zu gleicher Zeit unter dem Namen pianoette oder auch pianolin verkauft worden zu sein. Auch wird als weiterer Produzent eine Pianolin Co, Mount Pleasant, Iowa, erwähnt, welche es auch unter beiden Namen anbot. Die Bezeichnung piano bezieht sich lediglich auf den am rechten Rand sichtbaren Papierstreifen, auf dem die Tasten eines Klaviers aufgedruckt sind. Bei der pianoette handelt sich um eine gewisse Weiterentwicklung des ukelin, weil die Melodiesaiten chromatisch angeordnet und auf einer Seite liegen. Deswegen wird eine größere Flexibilität erreicht was die Möglichkeiten des Melodiespiels betrifft. Auch besitzt das Instrument einen Akkord mehr. Es wurde in verschiedenen Formen gebaut, sowohl symmetrischen als auch asymmetrischen. [508]
Video Ukelin [507]
Tastaturzithern
Eine weitere Variante der Akkordzithern stellen die Instrumente dar, die mit Hilfe von aufgesetzten Tastatur-Mechaniken die Melodiesaiten zupfen oder anschlagen. Damit sollte der Klang von Instrumenten wie Mandoline oder Klavier imitiert werden.
Die links abgebildete Pianoharp ist eine Akkordzither, die über den Melodiesaiten eine Mechanik mit klavierähnlichen Tasten besitzt. Beim Niederdrücken einer Taste wird die darunter liegende Doppelsaite mit einem Hämmerchen angeschlagen und zum Klingen gebracht. Der Klang sollte wohl an ein Klavier erinnern. Auf der linken Saite liegen vier Begleitakkorde, die je zweimal vier und zweimal fünf Saiten umfassen und mit der linken Hand angerissen werden.
Die Mandolinharp sollte den Klang einer Mandoline imitieren. Sie verfügt über den Melodiesaiten über eine Tastatur in Form von Knöpfen, die mit den Fingern der rechten Hand niedergedrückt werden können. Auf diese Weise werden Stifte, die aus Glas oder einem anderen sehr harten Material bestehen, nach unten bewegt. Diese verfügen über eine Ausbuchtung (als eine Art Plektrum), die die darunterliegende Saite zum Schwingen anregen sollen. Meine Versuche, die 21 Melodiesaiten des Instruments zum Klingen zu bringen, führten zu ziemlich unbefriedigenden Ergebnissen. Möglicherweise ist aber auch die Mechanik in ihrer Funktion beeinträchtigt.
Das Marxophon, patentiert 1912, ist wohl das bekannteste Instrument des Henry Charles Marx (1875 - 1947), das seinen Namen als Erfinder am meisten verbreitet haben dürfte. Eine ganze Serie anderer Musikinstrumente, die um die Jahrhundertwende entstanden, geht auf seine Urheberschaft zurück, z.B. das Marxolin, das Violin - uke, die Pianoharp, das Hawaiian Tiple, das Pianophon, die Tremoloa und die Pianoette um nur einige zu nennen. Alle diese Instrumente wurden überwiegend in seiner Firma in New Troy, Michigan produziert und überwiegend von Verkaufsagenten von Tür zu Tür mit Hilfe dubioser Praktiken unter die Leute gebracht. Auch andere Konkurrenten wie z.B. Oscar Schmidt verfuhren ebenso. Es gab viele Rücknahmen, weil die Leute sich durch die vollmundigen Versprechungen (z.B. "in einer Stunde zu erlernen") getäuscht fühlten.
Das Marxophon ist eine Weiterentwicklung des celestaphons, bei dem kleine Metallhämmer, die unter federnden Tasten angebracht waren, auf die Melodiesaiten einer Akkordzither schlugen. Die ersten Marxophone besaßen ebenfalls diese mit Blei belegten Hämmer, die aber einen giftigen Bleistaub produzierten, der sich auf den Instrumenten niederschlug. Man ersetzte sie später, wie bei dem nebenstehenden Instrument zu sehen, durch Holzbeläge, die auf einem Federstahlband liegen. Durch kurzes Drücken erzeugt man Pizzicato-Töne, die ähnlich einem Hackbrett klingen. Hält man die Taste länger gedrückt, erzeugt der schwingende Stahl ein mandolinähnliches Tremolo auf den Doppelsaiten des Instruments, welche diatonisch in C-Dur gestimmt sind. Die Begleitung erfolgt durch die Akkordgruppen in C, D, G und D7. Die diatonische Anlage der Melodiesaiten und die Trägheit der schwingenden Stahlfeder schränkten den Gebrauch des Instruments stark ein. Trotzdem wurde es von einigen Gruppen aus der Popmusikszene verschiedentlich als exotische Klangvariante verwendet.
Alle drei Instrumente waren mit Unterlegnoten zu spielen. [510]
Autoharp
Neben den Instrumenten die sowohl eine Melodie- als auch eine Begleitfunktion beinhalteten, gab es auch solche, die fast ausschließlich als akkordische Begleitinstrumente zu verwenden waren. Der wichtigste Vertreter dieser Gruppe ist die autoharp, sie hat sich als einzige der vielen Zitherarten der Jahrhundertwende bis heute gehalten. Sie spielt immer noch in bestimmten Stilen der nordamerikanischen Volksmusik eine gewisse Rolle, z.B. im bluegrass. Bekannte Spieler kamen vor allem aus der Carter - Familie, wie z.B. Maybelle, June und Sara Carter. Aber auch viele andere Gruppen setzen dieses Instrument heute noch ein.
1864 wanderte Carl Friedrich Zimmermann in die Vereinigten Staaten aus, wo er sich 1881/1882 die autoharp patentieren ließ, allerdings lagen die Dämpfer parallel zu den Saiten. 1883/84 erhielt Karl August Gütter aus Markneukirchen ein ähnliches, britisches Patent. Es scheint, dass Zimmermann auf einer Reise nach Deutschland dessen System mit rechtwinklig zu den Saiten verlaufenden Dämpfern kennenlernte und es anschließend in Amerika unter seinem Patent industriell fertigte. Es wurde ein durchschlagender wirtschaftlicher Erfolg, der hauptsächlich auf die Einfachheit der Spielweise zurückzuführen ist. Innerhalb von drei Jahren sollen 50.000 Exemplare des ersten, dreiakkordigen Modells verkauft worden sein. Die Anzahl der Saiten und die Anzahl der Akkorde wurden mit der Zeit vergrößert, heute sind Exemplare mit 36 bis zu 47 Saiten im Handel, meist mit 15 und 21 greifbaren Akkorden. Geschickte Spieler erzeugen zu den Akkorden auch zusätzlich Melodielinien, dieses erfordert aber sehr viel Übung.
Die Spielweise ist denkbar einfach: eine Hand streicht über alle Saiten hinweg, während die andere eine bar niederdrückt. Dabei handelt es sich oft um einen federnd gelagerten Holzstreifen mit dem entsprechenden Akkordsymbol, auf dessen Unterseite meist kleine Stücke aus hartem Filz angeordnet sind. Sie dämpfen alle Saiten des gewünschten Akkords ab, die nicht in ihm enthalten sind. Nur die akkordeigenen Töne können frei schwingen. [512]
Video Autoharp [513]
Video Autoharp Melodie [514]
Hawaiian Tiple
Das hawaiian tiple war ein weiteres Instrument, welches von H. C. Marx in seiner Marxochime Colony erfunden worden war. Das Instrument hat nichts mit dem tiple gemeinsam, einer südamerikanischen Gitarrenart mit acht bis zwölf Saiten. Es geht auf die 1920er Jahre zurück, in denen in den Vereinigten Staaten ein großes Interesse an den kulturellen Ausdrucksformen der pazifischen Inselgruppe zu beobachten war, die man 1898 annektiert hatte.
Dieses Instrument ist fast ausschließlich für das Akkordspiel konzipiert. Es besitzt Komponenten einer Zither aber auch einer steel-guitar, vielleicht lässt sich der Namensbestandteil hawaiian auf die ebenfalls im slide - Stil gespielte Hawaiigitarre zurückführen. Man kann es in drei Spieltechniken verwenden: die Saiten können gezupft oder angeschlagen werden, außerdem kann durch Aufsetzen eines Metallröhrchens oder -stäbchens ein glissando - Effekt erzeugt werden. Die 16 Saiten des Hawaiian Tiple sind in vier Gruppen zu je vier Saiten angeordnet, die jeweils einen vollständigen, vierstimmigen Akkord ergeben. Die meisten Instrumente sollen in der Tonart A -Dur gestimmt gewesen sein und die Akkorde der I. der II7, der IV und V7 enthalten haben, also A, H7, D und E7. Das nebenstehende Instrument ist in der gleichen Stufenfolge gestimmt, allerdings in C - Dur (C, D7, F, G7).
Der Steg des Instruments liegt auf 2/3 der Saitenlänge und teilt damit die Saiten im Verhältnis 2 : 1, im nebenstehenden Beispiel 53 : 26,5. Weil auf beiden Seiten des Stegs gespielt werden kann, klingen die Saiten im kürzeren Teil genau eine Oktave höher als auf der anderen. Weil in den Akkorden der I., IV. und V. Stufe alle Töne der diatonischen Reihe enthalten sind, werden diese auf dem Steg mit 1 - 8 bezeichnet, die der höheren Oktave mit 8 - 15. Melodie- oder Tonleiterspiel gestaltet sich sehr schwierig, weil die einzelnen Töne der diatonischen Reihe in den Akkorden nicht beieinander liegen. Wird im slide-Stil auf der obersten Akkordgruppe gespielt, so ist parallel zu den Saiten ein Papierstreifen aufgeklebt, der die Position der Bünde angeben soll. [516]
Tremoloa und Pic-Nik (Marxolin)
Die tremoloa und das pic-nik sind ebenfalls Instrumente, die sich in ihrer Spielweise an der Hawaiigitarre orientieren und deren typischen Klang nachahmen sollen.
Die tremoloa geht auf ein Patent von 1932 zurück, das an Harold Finney und John Large vergeben worden war und wohl überwiegend bei Oscar Schmidt in New Jersey etwa von 1929 bis 1954 gebaut wurde. Es handelt sich dabei um eine Akkordzither mit vier Akkorden zu jeweils vier Saiten, die mit der linken Hand gespielt wurden, meist mit einem Plektrum oder einem Zitherring. Das Besondere an dem Instrument ist aber die Art, wie die Melodie erzeugt wird. Es besitzt eine einzige Saite mit nur einer mäßigen Spannung, im abgebildeten Instrument 41 cm lang. Sie verläuft über einer Skala, auf der die spielbaren Noten verzeichnet sind. Auf der gegenüberliegenden Seite, neben den Akkorden, ist ein beweglicher Arm angebracht. An dessen Ende ist eine drehbare Metallrolle befestigt, die auf die Saite aufgesetzt werden kann. Außerdem ist an einer flexiblen, flachen Metallfeder ein Plektrum aus Horn (oder Kunststoff) angeklebt. Durch das Gewicht der aufgesetzten Rolle wird beim Anreißen der Saite ein Vibrato erzeugt; verschiebt man zusätzlich die Rolle auf der Saite, kommt ein Glissandoeffekt hinzu. Beides zusammen kommt dem Ton einer hawaiianischen steel guitar ziemlich nahe. [517]
Das rechts abgebildete Instrument ist schwer zu identifizieren. Das Label bezeichnet es als marxolin, allerdings hat es mit den Instrumenten, die man so bezeichnet hat, nichts gemeinsam, wie der Link beweist. Es handelt sich wahrscheinlich um ein Pic -Nik, einem der vielen von H.C. Marx produzierten Instrumente. Auf einer Webseite wird kurz erwähnt, dass er eine einsaitige slide guitar mit diesem Namen kreiert habe (Marx even invented a one string slide guitar named the pic - nik) [518]. Ich halte dies für die zutreffendste Erklärung für das abgebildete Instrument. Mit dem Namen Marxolin war auch nicht nur die etwas futuristische Form mit Akkordmechanik (wie im Video oben gezeigt) bezeichnet worden, sondern noch etliche andere mehr konventionelle Formen von gestrichenen Akkordzithern.
Das pic-Nik besitzt einen dreieckigen Resonanzkörper mit flachem Boden. In der Decke befindet sich eine rundes Schallloch. An den Korpus ist ein relativ langer, dünner Hals angesetzt. Auf diesem ist eine Skala aufgeklebt, die die Lage der einzelnen Noten angibt. Das Instrument besitzt nur eine einzige Saite, die von einem kurzen Befestigungsriegel auf der Decke bis zu einem Holzklötzchen am Ende des Halses verläuft. Dadurch entsteht zwischen Saite und Deck bzw. Hals ein gewisser Abstand. Die Saite führt durch eine Bohrung in einem kleinen Metallzylinder, den man entlang der Saite auf- und abbewegen kann. Wird beim Spielen die Saite mit einem Plektrum oder Metallring angerissen und der Metallgleiter bewegt, entsteht ein ausgeprägter Slide-effekt im Stil einer Hawaiigitarre.
Video Tremoloa [519]
Dulcimer
Die Bezeichnung dulcimer war in vielen unterschiedlichen Varianten (z.B. doucimore, dulcimore) im mittelalterlichen England bekannt und wurde oft verwendet, um verschiedene Zithern und Psalterien zu kennzeichnen. Ethymologisch geht das Wort auf das lateinische dulcis (= süß) und melos (= Melodie) zurück.
In vielen Teilen des europäischen Raumes (z.B. Schweden, Norwegen, Ungarn, Niederlande, Frankreich) waren seit dem Mittelalter einfache Kastenzithern verbreitet, bei denen ein Griffbrett fast über die gesamte Länge auf einen länglichen Resonator aufgesetzt wird. In Deutschland bezeichnete man diese als Scheitholt, welches sich wahrscheinlich aus dem Monochord entwickelt hatte. Prätorius hat dieses Instrument in seinem "Syntagma musicum" unter den "Lumpeninstrumenten" beschrieben. Die europäischen Varianten dieser Zitherart wurden bis ins 19. Jahrhundert hinein verwendet, gerieten aber mehr und mehr in Vergessenheit.
Scheitholte oder deren Verwandte wurden auch von Auswanderern mit in ihre neue Heimat Amerika genommen und im frühen 18. Jahrhundert erwähnt. Die überwiegend irisch-schottischen Siedler in den Appalachen bezeichneten diese Instrumente dann mit dem ihnen bekannten Ausdruck als dulcimer. In der Abgeschiedenheit dieses Gebirgszuges blieb er als mountain oder appalachian dulcimer ein Träger der lokalen Volksmusiktradition bis ins 20. Jahrhundert. Manchmal wurde er auch als lap dulcimer oder als Kentucky dulcimer bezeichnet. Ende der 1950er Jahre setzte eine Gegenbewegung zum allgegenwärtigen Rock´n Roll ein, der Revival der Folkmusik. Im Zuge dieser Bewegung wurde auch dem dulcimer wieder eine große Aufmerksamkeit zuteil und er konnte sich in mehreren Bereichen der amerikanischen, volkstümlichen Musik (Oldtime, Country) bis auf den heutigen Tag etablieren. Diese Welle schwappte auch nach Europa über und der dulcimer hat gewissermaßen als Reimport auch seine Freunde in Europa wieder gefunden.
Das Instrument wird in verschiedenen Formen gebaut, in Amerika übliche Formen sind die links abgebildete hourglass-Form und die einfachere teardrop-Form. Es gibt aber auch rechteckige, dreieckige und konzertzitherartig ausgebuchtete Formen. Auf der Decke des Instruments befinden sich zwei bis vier Schallöffnungen, die oft herzförmig sind oder die Form eines F-Lochs aufweisen. Die Saitenzahl schwankt meist zwischen drei und sechs indem die Spielsaite allein oder zusätzlich Bordunsaiten gedoppelt werden. Die Anordnung der Bünde war lange rein diatonisch in festgelegten Ganz- und Halbtonschritten, ähnlich den weißen Tasten des Klaviers. Heute werden oft zwischen den Stufen 6 und 7 sowie zwischen 12 und 13 zusätzliche Halbtonbünde eingesetzt, um mehr Tonarten wiedergeben zu können. Anders als bei anderen Saiteninstrumenten, wie z.B. der Gitarre, liegt die höchste Saite dem Spieler am nächsten. Die von ihm entfernt gelegene Basssaite, der Grundton, ist fast immer auf D gestimmt. Die Stimmung der beiden anderen Saiten variiert, je nachdem ob man mehr einen Dur- oder einen Mollklang bevorzugt. Übliche Kombinationen sind D, A, A und D, A, d, für Dur- oder D, A, c, und D, A, G für Mollvarianten. Es gibt auch unterschiedliche Spieltechniken. Bei der ursprünglichsten wird die Spielsaite mit einem noter, einem runden Holzstäbchen, mit der linken Hand niedergedrückt, während die rechte mit einem Plektrum über alle Saiten streicht. Die beiden übrigen Saiten dienen als Bordune. Bei einer anderen Art, dem fingerpicking, werden die Saiten mit der rechten Hand gezupft, die linke Hand drückt die Saiten ähnlich wie bei einer Konzertzither nieder. Diese Technik erlaubt im begrenzten Umfang auch das Spiel von Akkorden. [520] [521]
Der links abgebildete courtin dulcimer ist eine Sonderform, die für zwei Spieler vorgesehen ist, die sich frontal gegenübersitzen. Der Name leitet sich vom englischen Begriff für Verliebtsein ab. Wahrscheinlich hat sich beim gemeinsamen Spiel manche Beziehung angebahnt.
Neben den erwähnten Formen existiert hauptsächlich in den Appalachen noch eine weitere Dulcimerart, die als hammered dulcimer bezeichnet wird. Dabei handelt es sich de facto um das europäische Hackbrett, das mit zwei Schlägeln gespielt wird. Auch gestrichene Varianten des appalachian dulcimer erscheinen gelegentlich als bowed dulcimer. Auch werden Instrumente in anderen Tonlagen (wie z.B. Baritondulcimer) angeboten sowie Varianten mit eingebautem Resonator und solche mit banjoartigem Korpusteil (banjolele).
Video Mountain dulcimer [524]
Video Mountain dulcimer [522]
Video Courtin Dulcimer [523]
Abgeleitete Formen des Dulcimer
Im Zuge der Folkbewegung wurden in den 1970er und 1980er Jahren einige Instrumente neu auf den Markt gebracht, die auf dem Mountain Dulcimer basierten. Man übernahm das diatonische Griffbrett und die Dreieranordnung der Saiten des Dulcimer und versuchte sie mit anderen Korpusformen zu kombinieren. Man wollte damit die relativ einfache Spielweise mit einem verbesserten Handling zusammenzuführen, um eine größere Zahl von Interessenten anzusprechen, die nicht gewillt waren, ein komplexeres Instrument wie z.B. die Gitarre zu erlernen. So entstanden Instrumente, die man zu den Langhalslauten mit Bundeinteilung zählen muss. Am bekanntesten wurden der strumstick und der dulcitar.
Schon in den 70er Jahren hatte Bob Mc Nally ein leicht zu transportierendes Gitarrenmodell mit reduziertem Korpus entworfen, das ab etwa 1994 von der Firma C.F. Martin unter dem Namen backpacker - guitar vermarktet wurde (siehe Kapitel "Gitarren"). Sie erinnert in ihrer Form sehr stark an den rechts abgebildeten strumstick. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um ein schmales Instrument mit einem nach unten sich erweiternden Korpus, in dessen Decke ein rundes Schallloch eingebohrt ist. Die Anordnung der Metallbünde auf dem Griffbrett ergibt eine diatonische Reihe. Die drei Saiten des stick dulcimer, wie er auch genannt wird, werden meist in open - D gestimmt, also in D, a, d. Sie führen von einer unterständigen Befestigung über einen hölzernen Steg zu Mechaniken aus Metall. Die Spielweise ist ähnlich der des Vorbildes, auf einer Seite spielt man die Melodie, während die beiden anderen als Bordune mit angeschlagen werden. Die Spielhaltung dagegen ist gitarreähnlich, meist wird das Instrument mit einem Band über der Schulter des Spielers gehalten.
Der Begriff dulcitar setzt sich aus Wortbestandteilen von dulcimer und guitar zusammen. Es soll also die Eigenschaften dieser beiden Instrumente mehr oder minder in sich vereinigen. Geschaffen wurde dieses mehr wie eine Laute aussehende Instrument 1971 von Homer Ledford, der es 1976 als Handelsmarke eintragen ließ. Das rechts abgebildete Beispiel aus meiner Sammlung besitzt sechs Saiten, die Skala scheint aber in diesem Fall nicht diatonisch zu sein, obwohl dies normalerweise ein konstituierendes Kriterium darstellen sollte. Gespielt wird es de facto wie eine Gitarre. Auch die Besaitung folgt deren Anordnung, indem die höchste Saite am weitesten weg vom Spieler liegt. Diese Anordnung ist auch beim strumstick anzutreffen. Beide Instrumente erfreuen sich in der amerikanischen Laienmusik einer gewissen Beliebtheit und werden heute noch produziert, wie z.B. bei Mc Nally und Seagull.
Ukulelen
Die ukulele hat ihren Ursprung in portugiesischen Volksmusikinstrumenten. Die machete war eine Abart des cavacchino, einer kleinen Abart der Gitarre, und wurde als machete de Braga in dieser Stadt so bezeichnet. Wahrscheinlich gelangte sie unter der Bezeichnung braguinha auch nach Madeira. Von dort kommend legte das englische Schiff "Ravescraag" am 23.8.1879 mit Auswanderern an Bord in Hawaii an. Unter ihnen befand sich ein Mann namens Joao Fernandez, der aus Freude über die glückliche Ankunft an Land seine mitgebrachte braguinha zu spielen begann. An Bord waren auch drei geschickte Handwerker, die das Instrument nachzubauen begannen. Die Nachfrage war nämlich groß, weil die Hawaiianer großen Gefallen daran hatten, selbst der König der damals selbständigen Inselgruppe. Um 1915 begann dann das Instrument auch auf dem amerikanischen Festland in der allgemeinen "Hawaii-mania" populär zu werden und von hier aus verbreitete es sich auch rasch nach Europa und in den asiatischen Raum, vor allem durch amerikanische Soldaten, die auf dem Stützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii stationiert waren. Nach dem Vorbild von Manuel Nunes, einem der drei portugiesischen Auswanderer, wurden Ukulelen von den Branchengrößen wie Gibson, Regal, National und Martin in Massen gebaut. Über die Herkunft des Namens, der übersetzt etwa "hüpfender Floh" bedeutet, gibt es unterschiedliche Deutungen. [527]
Wie ihr portugiesisches Vorbild besitzt die ukulele meist die Form einer Gitarre. Es gibt aber auch andere Varianten, wie z.B die abgebildete dreieckige Form und die der Ananas nachempfundene pineapple-Form. Sie wird auch in verschiedenen Größen gebaut, wie beispielsweise die nebenstehende tiefer gestimmte Baritonukulele bis zur Bassukulele. Die vier Saiten sind an einem Querriegel auf der Decke mit eingearbeitetem Steg befestigt. Manchmal wird auch eine Saite oder es werden alle verdoppelt. Zwei Hauptstimmungen bei der normalen Sopran- bzw. Konzertukulele sind üblich. Einmal die "Hawaii - Stimmung" g c e a und die "Klassische Stimmung" a d fis h. Verantwortlich für den exotischen Klang des Instruments ist die oberste Saite, die üblicherweise eine Oktave höher gestimmt wird. Die Baritonukulele wird meist nach den obersten Saiten der Gitarre g d h e1 eingerichtet. Bereits 1917 wurde von dem aus Hawaii stammenden Alvin Keech das banjolele entwickelt, das den Hals einer Ukulele und den Korpus eines Tenorbanjos besitzt. Auch eine sechssaitige gitalele ist im Umlauf, die gitarreähnlich aufgebaut ist, aber eine Quarte oder Quinte höher gestimmt wird. Die ukulele wird selten gezupft, meist wird sie im strumming zur Begleitung populärer Musik gespielt. [528]
Video Ukulele [529]
Video Banjolele [530]
Video Baritonukulele [531]
Polk a lay lee
In den 1960er Jahren baute die Firma Swagerty in San Clemente, Kalifornien drei verschiedene Freizeitinstrumente, die zunächst gar nicht als richtige Musikinstrumente gedacht waren und nur als wallhanger Dekozwecken dienen sollten: Das kleinste davon wurde surfa-lele genannt, das mittlere kook a lay lee und das größte davon singing trehilopee. Bald merkte man, dass mit einer zwölfbündigen Skala und einer Mensur von ca. 18 Zoll das trehilopee ziemlich genau in eine Tenorukulele verwandeln konnte. Man baute es nun, um bei den Surfpausen am Strand Musik zu machen. Aus diesem Grund besitzt es auch einen ungewöhnlich langen Hals, weil man es dann, wenn der Spieler sich im Wasser aufhielt, kopfüber in den Sand spießen konnte.
Die Firma Petersen in Chicago baute dieses Instrument nach und vermarktete es als polk a lay lee. Ein solches ist nebenstehend abgebildet. Auffällig ist der lang ausgezogene, geschwungene Hals. In ihm sitzen die vier Stimmwirbel, die bezeichnenderweise als Paddel geformt sind (leider ist einer davon abgebrochen). Der Korpus mit flachem Boden hat in etwa die Form eines ungleichmäßigen Fünfecks. Aus der Decke ist ein ovales Schallloch ausgeschnitten, welches schräg zur Achse des Instruments liegt. Die Saiten werden mit vier Bohrungen durch die Decke geführt und unter ihr befestigt. Sie verlaufen dann über einen verschiebbaren Steg und über ein kurzes Griffbrett mit zwölf festen Bünden aus Metall und einen Sattel zu den Wirbeln. Das Instrument dient wie gesagt zur Unterhaltung am Strand und wird fast ausschließlich zur Liedbegleitung eingesetzt. Einige Instrumente verwendeten bereits Bauteile aus Kunststoff. [532]
Video Polk a lay lee [533]
Kleine "Harfen"
Im Folgenden möchte ich noch drei Instrumente vorstellen, die nach amerikanischem Sprachgebrauch als Harfen bezeichnet werden. Es handelt sich dabei aber bei lute harp und moon harp um Formen von Leiern und bei der lap harp um eine kleine Zither.
Der Namensbestandteil lute des links abgebildeten Instruments bezieht sich wohl auf die ausgebuchtete Form des Korpus, während die Stange und das geschwungene Oberteil mit den eingelassenen Stimmwirbeln aus Metall einer harp entsprechen. Das Instrument besitzt 22 Saiten und deckt drei Oktaven ab bei einer Mensur zwischen 11 und 51 cm. Die Saiten sind an einem Querriegel befestigt, der gleichzeitig als Steg fungiert.
Die links abgebildete moon harp diente wohl dazu, kleine Kinder in den Schlaf zu begleiten. Sie enthält ein Spielwerk, das ein ruhiges Schlaflied zum Erklingen bringt und mit einer Feder aufgezogen wird. Daneben besitzt es sieben Stahlsaiten, die an Nägeln, die in die Decke eingelassen sind, befestigt werden können. Sie laufen über einen hölzernen Steg, in den ein Stahldraht eingelassen ist. Teilweise führen sie über den Korpus, teilweise überspannen sie auch frei die Aussparung, die durch die Mondform entsteht.
Bei der links abgebildeten lap harp handelt es sich um eine einfache Zither. Sie besitzt 15 Stahlsaiten mit einer Mensur von 13 - 30 cm. Das Instrument wird entweder auf die Knie ("Knieharfe") oder auf einen Tisch gelegt und mit den Fingern oder mit einem Plektrum werden die Saiten gezupft. Meistens wird nach Unterlegnoten gespielt, die auf passenden "Notenblättern" aufgezeichnet sind. Der Spieler folgt nur den Linien und Punkten und erzeugt damit die entsprechende Melodie. Notenkenntnisse sind also nicht erforderlich.
Video Lap harp Plektrum [534]
Video Lap harp gezupft [535]
Video Lap harp Unterlegnoten [536]
Video Lute harp [537]
Kristallophon
Das Kristallophon gehört zur Gruppe der Idiophone, der sog. Selbstklinger. Es besteht aus 13 abgestimmten Platten aus Kristallglas, die ähnlich wie bei einem Metallophon oder einem Xylophon auf einem Gestell mit zwei durchgehenden Leisten liegen. Anders als z.B. bei der Glasharmonika, bei der die Glasscheiben durch Reibung in Schwingung versetzt werden, geschieht dies beim Kristallophon durch Anschlagen, ähnlich wie bei einem Metallophon.