ins_aeusserste
ins äußerste - oberflächliche verhältnisse
Oliver Wiener
[Klanginstallation (Testlauf), Januar 2015]
Die Arbeit "ins Äußerste" spielt auf Martin Heideggers Begriff des "Gestells" an und bricht ihn auf die Praxis der Installation herunter. Sie basiert auf einem Pure Data-Programm, das die Rundfunkaufnahme eines späten Aufsatzes von Heidegger („Das Wesen der Sprache“ von 1959) verarbeitet. Heidegger denkt dort – beunruhigt durch den technisch geprägten Sprachbegriff der Kybernetik – über zwei Arten der Sprache nach, die instrumentelle informative, die für Alltagszwecke hinreiche, und eine andere, dichterische Sprache, die (mit Goethe beschworen) der Artikulation der "tieferen Verhältnisse" vorbehalten sei. Der Titel entstammt dem ersten Satz aus Heideggers Text und stellt die erste nichtalltägliche Formulierung dar, an der man sich beim Hören aufhalten kann: die „Vorstellung von der Sprache als eines Instruments der Information“ dränge heute „ins Äußerste“. Damit ist zugleich eine Dichtomie zwischen der Äußerlichkeit der Alltagsinformation und der Innerlichkeit der anderen Sprache aufgespannt.
Das Programm liest aus der Heidegger-Aufnahme diskrete Frequenzen aus, wobei jede Auslesung potenziell in der Lage ist, sofort Streichersamples auf der jeweiligen Frequenz (ideal gestuft in einer zwölfstufigen Oktave) auszulösen. Ungefiltert wäre das Resultat zu dicht. Daher werden in der zeitlichen Folge verschiedene begrenzt zufällig arbeitende Filterfolgen im Gesamtambitus angewendet, so dass unterschiedliche Strukturdichten resultieren. Heideggers Sprache wird so für das auslesende Programm als „Instrument der Information“ interpretiert und in Streichquartettklänge übersetzt. Für den Rezipienten entsteht daraus keine informative musiksprachliche Mitteilung, sondern ein brüchiges Klangergebnis, bei dem offen gelassen wird, ob seine Bruchstücke (mit Goethe zu sagen) eine "Unterhaltung" oder einen "Discurs" untereinander zu beginnen scheinen. Da die aus der Auslesung der Heidegger-Aufnahme entstehenden Klangstrukturen Ergebnisse von Zufalls-Algorithmen sind, variieren sie in der zeitlichen Folge stetig. Der hier abhörbare Durchlauf ist direkt vom Audio-Interface abgenommen, der Nachhall der Instrumente und des Raums fehlt. Die Klanginstallation ist achtkanalig und als klangabstrahlendes Objekt angeordnet.
Ausgestellt sind vier Streichinstrumente der Sammlung, von denen die meisten der Samples mikrofonisch abgenommen wurden. Sie liegen auf einem weiß abgedeckten Tisch, auf dem bzw. vor dem die Instrumente liegen. Die Lautsprecher regen zum Teil die Saiten der ausgestellten Instrumente an.
"Ins Äußerste" ist Teil eines work in progress mit dem Titel "ex parte", das u.a. Streicherklänge (unbearbeitet und bearbeitet) und Streichinstrumente (als Exponate) verwendet, jedoch keiner Ausübenden bedarf. Dieses setzt sich mit der Legitimationskrise der 'klassischen' Ensembles, u.a. des Streichquartetts, im Umfeld der Konzeptmusik auseinander.
{ow, Januar 2015}