Deutsch Intern
Institut für Musikforschung

Tanpuras – StW 5, De 159, De 169

Tanpura/Tampura (तम्पूरा, auch tanbūrā, tambūrī), Langhalslaute der indischen Kunstmusik (sowohl des Nordens wie des Südens). Das Borduninstrument dient der Grundierung für Ragas. Es gibt drei Varianten, die relativ kleine Instrumental-Tanpura (95–115 cm) zur Begleitung von Instrumental-Solisten, die weibliche (120–130 cm) und männliche Tanpura (140–150 cm) mit je vier Saiten zur Begleitung weiblichen oder männlichen Gesangs. – Die Tanpura wird entweder aufrecht im Schoß, am Boden stehend oder quer über dem Schoß gespielt. Die klassische Spielweise verlangt, dass die Finger nicht quer, sondern parallel über der Mitte der Saiten liegen. Nacheinander werden die erste Saite (Mittelfinger), dann die folgenden Saiten gezupft bzw. mit der Innenseite der Fingerkuppen rhythmisch, dabei aber möglichst wenig mechisch wirkend, angestrichen. Nach Anzupfen der vierten Saite wird ein Ausklingzeitraum gegeben.

Der obertonreich-farbige Klang der Tanpura-Saiten entsteht durch den breiten Steg. Weil er konvex von der Saite abweicht, resultieren beim Anzupfen und den folgenden Minus-Schwingungsphasen der Saite Reperkussionen und mit abnehmender Schwingungsenergie abnehmend schnarrende Kontakte mit der Stegoberfläche. Diese Klangerzeugung heißt javārī, ein Wort, das sowohl das akustische Phänomen wie den akkurat geformten Steg bezeichnet. Für eine nuancierte Kontrolle des Surrens werden zwischen Saiten und Steg Baumwollfäden eingezogen.

StW 5

‚Männliche‘ Tampura. Professionelles Instrument
Werkstatt von Radha Krishna Sharma & Co., Kolkata, 1980er Jahre
In die Halsoberseite eingestanzt ist die Instrumenten-Nummer RKS/T/A 416.
Maße: LBT 143 x 44 x 37 cm
Kürbis-Rosonator. Hals und Decke sind aus Tun-Holz gebaut (Toona ciliata). Glanzpolierte Lackoberfläche mit rötlich-braunen Farbtönen. Neben dem Schnitzwerk am Resonanzkörper zieren Zelluloidmusterleisten und Zelluloideinlegearbeiten Hals, Front und Rückseite des Instruments. Die Wirbelköpfe sind gedrechselt; die Feinstimmer bestehen aus Kunststoff.

Die Stifter haben das Instrument Mitte der 1980er Jahre nach dem Besuch eines Obertonseminars bei Michael Vetter über dessen damalige Lebensgefährtin bestellt. Die Tanpura ist damit Zeugnis einer besonderen Spielart der Indien-Rezeption in der BRD der 1980er Jahre.

Vetter (1943–2013), der seit den späten 1950er Jahren die experimentellen Möglichkeiten der Blockflöte in Hinblick auf Mehrklänge und Mikrotonalität erforscht hatte, spielte in den 1970er Jahren eine wichtige Rolle im Umkreis der Interpreten für Stockhausens "intuitive" Kompositionen (Expo ’70, Kugelauditorium in Osaka: Hymnen, Spiral, Pole, Aus den sieben Tagen). Fast zehn Jahre hielt sich Vetter ab 1973 als Zen-Mönch in Japan auf, setzte dort seine Ideen zu einem „strukturellen Theater“ um und fasste  1981 seine Erfahrungen und Konzepte im Sammelband „Shijima no oto“ (Klang der Stille) zusammen. 1983 nach Deutschland zurückgekehrt, gründete er das „Zentrum für meditative Kommunikation und kommunikative Meditation“ in Todtmoos-Rütte. 1993 zog er mit seiner multimedial arbeitenden Schule ("Schule der Lebenskunst“) zu einem Ort bei Seggiano/Grosseto (Toskana) und nannte sie Accademia Capraia. Zu den Kursen der Vetterschen Accademia zählten Obertonsingen und Singen zur Tanpura. Hierzu heißt es auf der Website "transverbal": "Singen zur Tambura: Das sich selbst erfindende Lied. Melodische Dialoge. Träumendes und wachendes Singen. Der Raga der Intuition. Musikalische Psychoanalyse".

Stiftung von Barbara und Jörg Kühne (Mähringen) 2012.

De 159

‚Weibliche‘ Tanpura (H 130 cm, B 35 cm, T 32 cm).
Kürbis-Resonator. Gelbe Einlagen. Kunststoff-Feinstimmer.
Keine Herstellerangabe.
Provenienz: Stiftung von Fritz Degel (Blieskastel) Juli 2021

De 169

Kleine Tanpura, vielleicht auch eher eine Tandura (Pendant der Tanpura in der traditionellen Musik Rajastans).
LBT 90 x 23 x 16 cm
5 Saiten, Mensur 64 cm
Der Korpus besteht vollständig aus Holz, in der Decke befindet sich ein kleines Schalloch.
Der Steg ist aus Holz und wirkt unprofessionell gearbeitet, eine Summ-Effekt wird nicht erreicht, die Feinstimmer können keine Spannung aufbauen und sind so ohne Funktion. Möglicherweise handelt es sich um ein zu Dekorationszwecken hergestelltes Instrument.

Stiftung von Fritz Degel (Blieskastel) Juli 2021

Literatur: Michael Vetter, Overtones (voice & tambura): Tambura-Meditation, 2 LPs (Wergo) 1983. – Edward C. Carterette,  Kathryn Vaughn, Nazir A. Jairazbhoy, Perceptual, Acoustical, and Musical Aspects of the Tambura Drone, in: Music Perception 7/2 (1989), S. 75. – Norbert Beyer, Art. Tambūrā, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York: 2016ff., zuerst veröffentlicht 1998, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/11699

{ow; 2014-03-09/2021-11-16}