Deutsch Intern
Institut für Musikforschung

Stössel-Lauten – StW 36, De 286, De 296

Die Stössel-Laute – der Morphologie nach eine Kastenzither, der Spielhaltung nach eine Laute –, wurde 1914 vom Geigenbauer Georg Stössel (*1867 in Würzburg) erfunden und 1915 unter dem Namen "Stössel’s Lauten-Mandoline" in der Grundform und drei Varianten patentiert. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte Stössel etliche Abwandlungen der Laute. Auf einem kurzen Griffbrett befinden sich fünf Bünde. Sieben Saiten (in der gängigen Bauform) werden von oben über eine "Greifkante" parallel zum Saitenverlauf gegriffen. Die Variante als Basslaute hatte bis zu 13 freischwingende Saiten. Gestimmt waren die Saiten in Terzen (e², c², a', f', d', b, g), die Bass-Saiten in Quart/Quint-Schritten (des As es B f c G d A e H fis cis). Das Instrument als Eigenentwurf eines einfachen Begleitinstruments stellt eine Reaktion auf die leicht erlernbaren Akkordzithern und Reformgitarren um 1900 dar. Bereits 1910 hatte Stössel angesichts des Überangebots an Importinstrumenten aus den USA den "Verband Deutscher Instrumentenfabrikanten und -Händler" gegründet.

Erste Anleitungen im Geigenbau erhielt Stössel von Friedrich Wittstadt in Würzburg. In den 1890er Jahren kehrte er nach europäischen Lehr- und Wanderjahren – mit Stationen in Budapest, Agram, Cremona, Zürich, Mittenwald – nach Würzburg zurück, wo er in der Werkstatt von Karl Adam Hörlein arbeitete und „Ritterbratschen“ baute (große Violen nach Hermann Ritter). 1900 zog er nach Köln, wo er Am Berlich 31 eine Geigenbauwerkstatt eröffnete. Lütgendorff (489) nennt ihn einen "Meister in der Imitation und in der Wiederherstellung alter Geigen". 1923 wurde in Stuttgart die „Stösselinstrumentenbau AG“ gegründet, die die Lauteninstrumente für den internationalen Markt herstellte.– Beim Bombenangriff 1943 auf Köln kam Stössel ums Leben; seine Werkstatt und seine Instrumentensammlung gingen in Flammen auf.

StW 36: Stössel-Basslaute
Ohne Herstellerzettel/Nummer
Rosette
Korpuslänge 53 cm
Breite 30,4 cm, am Hals 17,7 cm
Tiefe 6,6 cm
Schwingende Saitenlänge Bass 47,5 cm
Melodiesaiten 33,8 cm
Schaden: Riss in der Decke unterhalb der Stimmwirbel links

Herkunft: Stiftung Angelika Metje (Kalefeld), Juli 2021. – Die Mutter der Stifterin, Christa Ziggel, berichtete, dass diese Laute nach dem Zweiten Weltkrieg von einem russischen Soldaten in Berlin zurückgelassen wurde, wohl als Gegenwert für Schulden, die er nicht begleichen konnte.

De 286: Stössel-Laute, nach 1931
Stuttgart-Ostheim, Dusyma-Werkstätten
Die schräg gestellten Bünde und Steg ließ Georg Stössel Junior 1931 patentieren (Michel 1995, 138).
Gedruckter Zettel: „STOESSEL [Logo], [lfd. Nr.] 53778 | PATENTE Im IN- UND AUSLANDE | GESCHM[ACKS].-MUSTER | MADE IN GERMANY
Korpuslänge 48 cm
Breite 30 cm
Tiefe 9 cm
Sattel und 5 Bünde in ansteigenden schrägen Winkeln
Stimmschrauben (mit kleinen eingelagerten Steigrädern) auf der Decke von Bass zu Diskant ebenfalls in einer Schräge von ca. 22° zum ebenen Korpusabschluss geführt
9 Saiten
Stimmung: e², c², a', f', d', b, g, es, c
Schwingende Saitenlänge 42–47 cm
Schäden: durchgehende Risse auf der Decke links und rechts des Schalllochs

De 296: Stössel-Basslaute, nach 1931
Stuttgart-Ostheim, Dusyma-Werkstätten
Gedruckter Zettel: „STOESSEL [Logo], [lfd. Nr.] 54245 | PATENTE Im IN- UND AUSLANDE | GESCHM[ACKS].-MUSTER | MADE IN GERMANY
7 Melodie- und Akkordsaiten (links); Steg und Vierkantwirbel auf der Decke, Anordnung gerade
12 Basssaiten (in Quarten/Quinten: As–cis); separater Steg und Vierkantwirbel (gerade) in versetzter Anordnung unten auf der Decke
Korpuslänge 55 cm
Breite 30 cm
Tiefe 8 cm

Herkunft: De 286 und 296 wurden von Fritz Degel (Blieskastel) Juli 2021 gestiftet.

Literatur: Willibald Leo Freiherr von Lütgendorff, Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 3. Auflage Frankfurt a.M. 1922, Bd. II, S. 489. – Andreas Michel, Zithern. Musikinstrumente zwischen Volkskultur und Bürgerlichkeit (= Instrumentarium Lipsiense: Zithern), Leipzig 1995, S. 135–143. – Andreas Michel, Stössel-Lauten, in: Studia Instrumentorum Musicae, Zithern, Stössel-Lauten. – Dort ausführliches Literaturverzeichnis.

{2021-11-15; ow}