Notat Ali Ufki
Das Notatiosverfahren Ali Ufkîs
Ali Ufkî zeichnet seine Lectiones in einer Notation auf, die in wesentlichen Bereichen der zu dieser Zeit in Westeuropa gebräuchlichen entspricht. Es sind aber dennoch einige Änderungen vorgenommen worden, um die Notenschrift den Vorgaben der türkischen Kunstmusik – weniger denen des makam-Systems als jenen der usul – anzugleichen. Zunächst ist augenfällig, daß die Schreibrichtung der Notation, jener der arabisch-osmanischen Schrift entsprechend, von rechts nach links verläuft. Diese Verfahrensweise ermöglicht die unproblematische Kombination von Schrift und Noten, die bei einer Aufzeichnung vokaler Kompositionen von grundlegender Bedeutung ist.
Aus der Änderung der Schreibrichtung ergeben sich freilich bei der Umschrift ebensowenig Probleme wie aus der auf arabischen Schriftzeichen beruhenden Schlüsselung. Ali Ufkî verwendet zwei Schlüssel-Zeichen, das arabische cim und das zel. Das cim, legt fest, daß auf der Linie, die sich zwischen dem oberen waagerechten Strich und dem Punkt in der Mitte des unteren Halbkreises befindet, der Ton c' liegt; das zel bezeichnet die g'-Linie. Die Schlüsselung gibt freilich keine absoluten Tonhöhen vor. Vielmehr ist es bei der Umschrift in die moderne Notation in der Regel unumgänglich, die Notate zu transponieren, um sie den Vorgaben der türkischen Musiktheorie gemäß in der korrekten Lage, die im Einzelfall anhand von makam-Notaten festgestellt werden muß, aufzeichnen zu können.
Zur Vorzeichnung der unterschiedlichen makame der türkischen Kunstmusik – seine Sammlung ist in zweiundzwanzig fasl-ı unterteilt, denen je ein makam zugrundeliegt – verwendet Ali Ufkî drei b- und ebenso viele Kreuzzeichen. Auflösungszeichen sind ihm offenbar nicht bekannt. Die Differenzierung der sechs Zeichen untereinander durch eine unterschiedliche semantische Besetzung, die eine Notation auch mikrotonaler Intervalle erlauben würde, wird durch den Sachverhalt verhindert, daß sie oftmals ambivalent gebraucht werden und in einigen Notaten in direkte Konkurrenz zueinander treten.
Die Erkennung eines makam anhand der Vorzeichnung, vergleichbar mit der Tonartenkennung im europäischen Notationssystem, ist meistenteils nicht möglich, da Ali Ufkî, sofern er überhaupt Versetzungszeichen vorgibt, diese höchst uneinheitlich gebraucht. Eine den mikrotonalen Verhältnissen des türkischen makam-Systems entsprechende Transkription der Notate Ali Ufkîs ist demnach nicht ohne Interpretation möglich, die individuell auf der Basis einer makam-Theorie durchgeführt werden kann.
Zur Fixierung der Tondauern dienen ausschließlich Brevis, Semibrevis, Minima, Semiminima und Fusa; längere Notenwerte wie Longa oder kürzere wie Semifusa kommen nicht vor.
Vor eine nicht unbedeutende Schwierigkeit scheint Ali Ufkî die Aufgabe gestellt zu haben, die von den usul-Abläufen vorgegebenen Perioden in die Notation miteinzubeziehen, da die langen und oft asymmetrischen rhythmischen Zyklen mit Hilfe der Proportiones irrationalesoder rationales nicht ohne weiteres darstellbar sind. Er löst das Problem, indem er neben dem alla breve-Zeichen und der Bezeichnung des 4/4-Taktes, C, die er als einzige der um 1650 in Europa gebräuchlichen Taktzeichen verwendet, zweiundzwanzig Kreiszeichen, in einem Fall doppeldeutig, definiert, die es ihm ermöglichen, vierzehn Basis-Perioden, deren Dauer jeweils einem usul-Ablauf entspricht, festzuhalten. Das Mensurzeichen – Ali Ufkî verwendet hierzu einen Doppelstrich, dem an der linken Seite ein Doppelpunkt nachgestellt ist – markiert in den Notaten jeweils das Ende eines usul-Ablaufs. Zusammengesetzte usul drückt Ali Ufkî erwartungsgemäß durch eine Kombination mehrerer Basis-Perioden aus.
Da die rhythmischen Schlagmuster ohne deren genaue Kenntnis auch anhand der Periodenvorzeichnungen nicht ausführbar sind, beschränkt sich Ali Ufkî zunehmend darauf, den usulgemeinsam mit dem makam zu Beginn eines Notats zu nennen; die mit der Spartierung bereits vor der Niederschrift vorbereiteten Kreise bleiben häufig leer.
Literatur:
Wolfgang Caspar Printz, Compendium Musicae. Signatoriae et Modulatoriae Vocalis, Das ist: Kurtzer Begriff aller derjenigen Sachen / so einem der die Vocal-Music lernen will / zu wissen von Nöthen seyn, Dresden 1689.
Müzik Ansiklopedisi, hrsg. von Ahmed Say, Ankara 1985, Bd. 3, S. 925–933.
Ralf Martin Jäger, (= Türkische Kunstmusik und ihre handschriftlichen Quellen aus dem 19. JahrhundertSchriften zur Musikwissenschaft aus Münster 7, hrsg. von Klaus Hortschansky), Eisenach 1996, S. 225–233.
<zum Faksimile>
<zurück zur Übersicht>