Intern
Institut für Musikforschung

Musik Film Fest 2022

Ethnomusikologie und Dokumentarfilm

Musikfilm, Musikdokumentation und ethnographischer Film – die Genres lassen sich heutzutage kaum noch unterscheiden. Regisseur*innen und Forscher*innen wechseln mehr und mehr fließend ihre Rollen zwischen Begleitung und Feldforschung mit Musiker*innen. Das zweitägige Filmfest möchte die Bandbreite von Werken präsentieren, die in den letzten Jahren in diesem Bereich entstanden sind und dabei persönlich mit den Filmschaffenden ins Gespräch kommen.

Zum Programm:

Aztarnak by Maru Solores

Is the seed of happiness planted during childhood? The early years of our lives, the ones we no longer remember, leave a deep imprint on us. But is that imprint permanent? Or does it perhaps evolve? This is the voyage to that place forgotten by the memory, a journey from the mother I have become today to the baby I once was.

Maru Solores was trained at Andoain Film and Video school before studying Film Directing at the DFFB in Berlin. There she directed several short films and documentaries. She graduated with the 35mm short Dortoka Uhartea (La Isla de la Tortuga) winner of awards at festivals across the world. During her career she has also worked in the field of education and production, as well as teaching audiovisuals. Aztarnak - Huellas (Imprints) is her second feature film as a director.

Four scripts with Missan by Bahar Asl and Farzaneh Mojrian       
This film is a documentary film about the folklore music group “Missan”. Missan is originally come from Khouzistan province, in the south of Iran. The group members mother language is Arabic but they are Iranian.        
Bahar Asl graduated from B.A of sociology and M.A of ethnomusicology, both from university of Tehran, Iran. Actually, her main case of study is about popular music and music in football. “Four scripts with Missan” is related to her interest in folk music.
Farzaneh Majrian’s undergraduate studies were in the field of Iranian instrumental music at the Center University of Tehran, and her master's studies were in the field of ethnomusicology at Tehran University of Arts. Currently, her professional work is teaching and playing the dulcimer. She is in charge of managing a music school in Rasht.

Die Gitarre – ein vielsaitiges Instrument von Nepomuk Riva, Ruth Müller-Lindenberg und Studierenden der HMTM Hannover      
Der Dokumentarfilm beruht auf einer Idee von Studierenden aus einem Seminar über Musikinstrumente. Es werden vier Musiker*innen porträtiert, die verschiedene Formen von Gitarren in unterschiedlichen Musikszenen verwenden. Dabei wird offensichtlich, dass es zu unerwarteten Überlagerungen und Überschneidungen zwischen den Musikpraktiken kommt. Eine “Entwicklungsgeschichte” der Gitarre, wie sie in vielen Handbüchern beschrieben wird, lässt sich nicht länger behaupten.        
Nepomuk Riva ist derzeit Vertretungsprofessor für Ethnomusikologie an der Universität Würzburg. Parallel zum Musikwissenschaftsstudium arbeitete er jahrelang als Editor im Fernsehen im Bereich Nachrichten, Magazine und Dokumentationen und gestaltete 3D-Animationen für Theaterstücke. Aus seinen Feldforschungen in Kamerun und Südafrika entstanden verschiedene Filmdokumentationen. Audiovisuelle Gestaltungstechniken setzt er immer wieder in die musikethnologische Lehre ein, wie in dem Seminar zu Musikinstrumenten, das er zusammen mit Ruth Müller-Lindenberg gegeben hat.

On/Off Record von Jörg Adolph

In der ländlichen Idylle der oberbayerischen Kleinstadt Weilheim, inmitten eines gut funktionierenden Netzwerkes aus befreundeten Musikern und Produzenten lebt und arbeitet die Pop-Gruppe „The Notwist“. Zwei Jahre hat die Band im Studio intensiv an ihrem fünften Album „Neon Golden“ gearbeitet. Seit dem Erscheinen der LP/CD Mitte Januar 2002 werden Band und Platte von Publikum, Kritikern und Presse einhellig als „vielleicht bedeutendste deutsche Pop-Gruppe“ (FAZ) und als „deutsches Pop-Ereignis“ (Der Spiegel) gefeiert. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten hat der Münchner Dokumentarfilmer Jörg Adolph die Band beobachtend begleitet. Sein Film zeigt die vertrauliche Situation der Studioarbeit ("off the record"), in deren Verlauf komponiert, eingespielt, gehört, bearbeitet, diskutiert, verworfen, ausprobiert und wieder gehört wird.

Jörg Adolph ist ein deutscher Filmemacher, Produzent und Filmeditor. Nach einem Studium von Neuerer deutscher Literatur und Medien in Marburg wechselte er an die Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF), um dort Fernsehpublizistik und Dokumentarfilm zu studieren. Jörg Adolph arbeitet als freier Dokumentarfilmer, schreibt Fernsehkritiken und geht als wissenschaftlich/künstlerischer Mitarbeiter an der HFF München Lehraufträgen nach.

POLYPHONIA – Albanias’s forgotten voices von Björn Reinhardt und Eckehard
Pistrick

Zwei Hirten in den albanischen Bergen, Arif, ein Muslim, und Anastas, ein orthodoxer Christ, sind trotz religiöser Barrieren seit Jahren befreundet. Ihre tiefe Freundschaft wird durch eine lokale Musiktradition, die Polyphonie, ständig gestärkt. 2005 wurde diese Gesangstradition zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Der Film findet unvergessliche Bildern für die strenge Poesie, die harten Schicksale und die fast magische Kraft der menschlichen Stimme, die den Menschen in den Bergen hilft, ihren surrealen Alltag in einer widersprüchlichen Phase des postsozialistischen Wandels zu meistern. Auf einer anderen Ebene gibt der Film ein Beispiel dafür, wie Musik – auch auf dem Balkan – Brücken bauen kann zwischen Menschen und Religionen.

Eckehard Pistrick ist Juniorprofessur für Europäische Musikethnologie an der Universität zu Köln. Nach einem Magisterstudium der Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Halle promovierte er an der Université Paris-Ouest und an der Universität Halle im Bereich Musikethnologie mit Schwerpunkt Balkanmusik. Journalistische Erfahrung besitzt er seit 1999 durch seine Arbeit für die Kultursparte der Mitteldeutschen Zeitung, seine Tätigkeit beim Journalistennetzwerk n-Ost, Hörfunkproduktionen beim Bayerischen und Mitteldeutschen Rundfunk, sowie durch den Meisterkurs Medienwerkstatt 2014 an der HfM Weimar.

Björn Reinhardt ist ein Dokumentarfilm-Regisseur, Fotograf, Schriftsteller und Zeichner. Er war Produktionsleiter bei Zeitzeugen TV. 2002 übersiedelte er nach Rumänien, wo er seitdem in der Maramures lebt und das Maramures-Filmarchiv aufbaut. Hier entstanden bisher über 40 Dokumentarfilme.

Por los camiones del sur von Sven Kirschlager

In der Dokumentation „In den Bussen des Südens“ schlängeln sich die Geschichten von sechs Musikern auf Landstraßen durch atemberaubende Panoramen im Süden Mexikos. Die Protagonisten stehen nicht im Rampenlicht großer Bühnen, sondern verdienen ihren Lebensunterhalt mit Gitarren und Akkordeons in den schmalen Gängen von Überlandbussen. Schweißgebadet übertönen sie mit ihren Stimmen altersschwache Motoren und schlüpfen durch die immer engeren Maschen des Netzes aus Inspekteuren der Transportgesellschaften. Zugleich blickt der Film auf ihr Leben jenseits des Straßenrandes, wo die Musiker über die Qualitäten von Kampfhähnen philosophieren, Nahrungsergänzungsmittel bewerben oder in den Hinterzimmern von Acapulcos Nachtclubs vom großen Sprung in die Berühmtheit träumen.

Sven Kirschlager ist Kulturanthropologe, Autor, Filmregisseur und 3D-Animator. Er hat an der Freien Universität Berlin in Ethnologie zu dem Thema "Musik in Bewegung – Musiker in den Überlandbussen Südmexikos" promoviert.

Die Reise des Bandoneón von Martin Wolfstein       

Der Sozialwissenschaftler Martin C. Wolfstein hat durch jahrelange ausgiebige Recherche- und Forschungsarbeit mit dem Film „Die Reise des Bandoneón“ einem fast vergessenen Musikinstrument ein Denkmal gesetzt. Der Film erzählt facettenreich und detailverliebt über das Musikinstrument des Tango Argentino, dem Bandoneón.       
Bevor das Bandoneón 2008 seinen Status als Attribut des immateriellen UNESCO Weltkulturerbes „Tango Argentino“, als stilbildendes Instrument an der Seite des Tanzes und der Musik bekam, hatte es seine Geschichte in Deutschland mit Männern, die nach Erzen gruben, den Bergleuten. Gerade in diesen Kreisen war das „Bergmannsklavier“ sehr beliebt.
Es ist die Geschichte eines Musikinstrumentes und seinen Musikern, den Bandoneonistas, von Amateuren und Laien aus Deutschland, Ost und West, und „claro, que sí!“, aus Argentinien. So kommen noch einmal Persönlichkeiten, wie die letzte Legende des Tango Argentino, Leopoldo Federico oder die 102 jährige Tochter des Bandoneón-Fabrikanten Alfred Arnold, Helene, zu Wort. Dass es bei den Bewohnern am Río de la Plata in aller Munde ist und allen Tangoliebhaberinnen und -liebhabern schwärmerisch in deren Ohren klingt, sollte nicht verwundern. Ist es doch in fast allen Tangoliedern zu hören.

Dieser einzigartige, sinnlich-melancholische Klang, der manchmal die menschliche Stimme nachahmt oder auch die Stimmung der Menschen auf poetische Weise wiedergeben kann. Was muß das für ein Artefakt sein, das einen solchen Klang erzeugt? Woher kommt es? Wer hat es erfunden ? Diesen Fragen will der Film nachgehen.

The Woven Sounds. Exploring the Singing Cultures Around Carpet Weaving von
Mehdi Aminian      

The mention of Persian carpets conjures images of realms of colorful woven materials as well as perhaps the materialistic and tangible value they hold. Just like other types of works songs, the singing culture around carpet weaving has evolved and shaped the craftsmanship and artisanship of weaving itself. The Woven Sounds research project, aims to investigate the intangible cultural heritage surrounding the process of carpet weaving in Iran. The specific research focus is on the musical cultures relating to this topic. Many of these intangible traditions are rapidly vanishing today along with the accompanying craftsmanship.        
Mehdi Aminian has completed studies in Humanities, Music and Ethnomusicology and IT in Austria, Romania, The Netherlands, Malaysia and Bosnia. Mehdi Aminian’s artistic and curating experiences combined with his academic formation in different countries allows him to carry out both his academic and artistic projects from an interdisciplinary perspective. He is currently carrying out his Doctoral research “The Woven Sounds” at university of Vienna and he is an employee at the Austrian Academy of Sciences (OEAW), researching the singing cultures surrounding the process of carpet weaving in Iran.